Das Atmen der Bestie (German Edition)
klar. Kein undeutlicher Schatten oder das Durcheinanderwirbeln einer Wolke, sondern das dämonische Biest selbst. Es kroch mit seinem Kleid aus Gewürm und Coyotes Haut auf dem Rücken über Janes Körper.
Ich wusste jetzt auch, was er vorhatte. Ein grauer Vogel hockte auf seinen behaarten Schultern und in den Händen hielt er Eingeweide und Blut von den toten SWAT-Männern. Er wollte Jane für ihr Versagen mit seiner ekelhaftesten Spezialität bestrafen: Er wollte einen Vogel in Janes Magen einnähen und sie selbst dann in die toten Därme der SWAT-Männer einschnüren. Die Pein der Drei.
Ich fühlte eine solch unvorstellbare Wut, dass man sie mit menschlicher Wut gar nicht vergleichen konnte. Ich brüllte laut auf. Ich sah Coyote als das, was er war, und ich sah auch, dass die Luft mit anderen Dämonen und Geistern erfüllt war: die Geister des Windes und des Nebels, die Manitus der Erde und des Feuers.
»Coyote!«, schrie ich. »Coyote!«
Der Dämon drehte sich um. Von seinen Zähnen tropfte Blut. Ich wälzte mich auf ihn zu und spürte die ganze Zeit mit schwarzem Entzücken, dass ich keinerlei Furcht hatte, dass ich keine Angst mehr vor ihm hatte.
Ich packte ihn. Ich spürte die harten, widerspenstigen Borsten seines Körpers, die madenhafte Weichheit seines Innern. Coyote fiel und schrie, aber Big Monsters Haar gab mir Kraft – eine Kraft, mit der sich Coyote nicht messen konnte.
Ich riss ihn auf wie einen Sack. Aus seinem Innern hervor krabbelten und wanden sich lebende Kreaturen, verklebt mit blutigen Fliegen. Ich ergriff seinen Kiefer und zog ihn so weit auseinander, dass er zersplitterte, dann riss ich ihm die blitzenden Augen heraus. Es floss kein Blut. Aber ein Gestank des Bösen verbreitete sich, der jahrhundertealt war, der saure und kranke Geruch der Hundebestie Coyote, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.
Ich stand neben seinem zerfetzten Körper und sein Atem verging mit dem Wind. Sein Herzschlag dröhnte noch einige Momente weiter, setzte dann aus. Seine Augen zerbröckelten. Die Brise aus der Bucht von San Francisco wehte die Borsten, die Knochenteile und die lederne Haut davon. Bald lag nichts Weiteres mehr da als ein Stück von einem haarigen Skalp und auf dem Bürgersteig zeichnete sich ein Brandfleck ab. Ein Brandfleck, den man noch heute sehen kann, wenn man über die Golden Gate Bridge geht.
In dem Augenblick, als Coyote starb, spürte ich etwas Schwarzes und Großes wie eine Lokomotive in mein Gehirn rasen. Ich wusste, dass ich diese Minuten in meiner dämonischen Form nicht überleben würde, aber das kümmerte mich nicht. Ich war zu erregt, als durchdringe mich der ultimative Kick.
Doch in meinem Hinterkopf hörte ich wieder die Stimme von George Thousand Names. Vielleicht wusste er um meine Notlage und machte eine letzte psychische Anstrengung. Vielleicht war es auch meine eigene Kraft. Aber ich hörte ihn sagen: Wenn ein Sterblicher versucht, den Skalp eines Riesen oder Dämonen zu tragen, dann wird er von dem zerstört werden, was er sieht. Solange er es überlebt, und das wäre nicht lange, würde er selbst zu einem Dämon werden. Das könnte sein Verstand aber nicht ertragen.
Mit einem qualvollen Schrei riss ich Big Monsters Haar von meinem Kopf und warf es in weitem Bogen in die trüben Wasser der Bucht von San Francisco. Es drehte und entwirrte sich im Wind und flog davon. Ich spürte in mir das Gefühl eines großen Verlustes und die völlige Erschöpfung und sank in die Knie.
Jetzt, ganz verschwommen, sah ich Jane. Sie lag auf dem Bürgersteig, und einen kurzen Moment sah ich Krallen und Zähne und schwarzes Fell auf ihrem Rücken. Aber als der letzte Staub Coyotes fortgeweht war, öffnete sie die Augen und war wieder Jane Torresino, meine ehemalige und vielleicht sogar meine zukünftige Liebe.
Sie streckte eine Hand nach mir aus und sagte leise: »John ... Oh John. Ich brauche dich ...«
Dann hörten wir in der Ferne Sirenen heulen und das willkommene Geräusch herannahender Schritte.
Es wurde September, bevor ich wieder in das Round-Valley-Reservat fahren konnte. Ich lieh mir einen alten Pacer und Jane und ich verreisten über das Wochenende. Wir verbrachten die Nacht in Willits, im County Mendocino. Es war schon Nachmittag, als wir George Thousand Names’ Haus hoch oben über dem Tal erreichten. Wir parkten den Wagen und stiegen die Stufen zur Terrasse hinauf. Ein ernster, ruhiger Indianer mittleren Alters erwartete uns dort, Walter Running Cow. Er
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