Die englische Rose
1. KAPITEL
Es war bereits Spätnachmittag, als Grant Cameron auf Kimbara vorsichtig mit dem Hubschrauber auf der Rückseite des Hauses aufsetzte. Die Rotoren wirbelten Sand, Gras und heruntergefallene Blütenblätter der nahe stehenden Bauhinia-Sträucher auf und blieben stehen. Nachdem Grant einen letzten Blick auf das Instrumentenbrett geworfen hatte, nahm er den Kopfhörer ab und stieg aus.
Das hier war die historische Rinderzuchtfarm Kimbara, die wie eine Festung in der Wüste lag und sich seit der frühen Besiedlung Australiens im Besitz der Familie Kinross befand. Sie grenzte an seine Farm, Opal Downs, die etwa hundert Meilen nordöstlich lag.
Sein älterer Bruder Rafe, den er über alles liebte und sehr schätzte, verbrachte gerade mit seiner frisch angetrauten Braut und seiner großen Liebe Alison Cameron, geborene Kinross, die Flitterwochen in den USA. Rafe leitete die Farm. Er, Grant, hatte einen eigenen Hubschrauber-Flugdienst aufgebaut, den er von Opal aus mit großem Erfolg betrieb. Ihre Berufe entsprachen auch ihren Neigungen. Rafe war der Farmer. Er, Grant, war der Pilot.
Schon als Kind war er ganz verrückt nach Flugzeugen gewesen. Selbst der Schmerz über, den tragischen Tod ihrer Eltern, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, hatte seiner Liebe zum Fliegen keinen Abbruch getan. Im australischen Outback gehörte das Fliegen zum Leben dazu.
Grant nahm seinen Akubra und setzte ihn unbewusst so schief auf, dass er ihm etwas Verwegenes verlieh. Die Sonne hatte immer noch, viel Kraft, und er musste an seinen ohnehin dunklen Teint denken, das Markenzeichen der Camerons. „Ein Rudel Löwen"
hatte man seinen Dad, Douglas Cameron, Rafe und ihn immer genannt.
Ein Rudel Löwen!
Einen Moment lang war ihm die Kehle wie zugeschnürt. Er wünschte, sein Dad wäre noch am Leben. Mum und Dad. Sie wären stolz auf ihn gewesen. Er war immer ein Wildfang gewesen und hatte etwas im Schatten seines Bruders gestanden. Dass Rafe einmal die Farm übernehmen würde, hatte von Anfang an festgestanden.
Grant ging um den Hubschrauber herum, um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung war. Der gelbe Rumpf mit dem breiten braunen Streifen und dem Firmenlogo in Blau und Gold knackte, als das Metall abkühlte. Zufrieden tätschelte Grant das Logo, bevor er sich auf den Weg zum Haus machte.
Es war ein anstrengender Tag gewesen, denn er hatte eine Herde besonders widerspenstiger Tiere von dem abgelegenen Sixty Mile in der Nähe von Jarajara, einem riesigen Monolithen, der die westliche Grenze von Kimbara kennzeichnete, zu dem Lager getrieben, das Brods Männer in der Nähe von Mareeba Waters mit seinen gewundenen Wasserläufen errichtet hatte. Das Lager würde wieder verlegt werden, solange das Zusammentreiben der Rinder andauerte. Vermutlich würden sie drei Wochen dafür brauchen. Was er jetzt benötigte, waren ein kühles Bier und der Anblick einer schönen Frau.
Francesca.
Nicht unbedingt in der Reihenfolge, dachte Grant amüsiert. In letzter Zeit dachte er zu oft an Francesca. Lady Francesca de Lyle, die Cousine von Brod Kinross, dem Besitzer von Kimbara und Bruder von Ally, seiner neuen Schwägerin. Die Namen Cameron und Kinross waren legendär in diesem Teil der Erde.
Mit der Hochzeit von Rafe und Alison waren die Familien zur Zufriedenheit aller endlich vereint worden - mit Ausnahme vielleicht von Lainie Rhodes von der Farm Victoria Springs, die schon seit ihrer Pubertät für Rafe schwärmte. Lainie wäre keine schlechte Ehefrau gewesen, doch für ihn hatte es immer nur Ally gegeben.
Bereits als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen. Nun waren sie Mann und Frau und überglücklich.
Ihm, Grant, war allerdings klar, dass er sich etwas überlegen musste. Er hatte nicht die Absicht, seinen Bruder und Ally zu stören, auch wenn Opal groß genug war und sie ihm oft genug versicherten, es sei Platz für sie alle. Er hatte Anspruch auf seinen Anteil, mit dem er auch seine Firma finanziert hatte, aber das Haus wollte er den beiden überlassen.
Außerdem hatte Ally vor, es renovieren zu lassen.
Wie es wohl ist, verheiratet zu sein? überlegte er, während er an dem Flügel mit den ehemaligen Küchen und Dienstbotenunterkünften vorbeiging, den man wegen seines historischen Werts erhalten hatte und der von Bäumen und Büschen umgeben war. Er war durch einen überdachten Weg mit dem Hauptgebäude verbunden, den er nun entlangschritt.
Wie es wohl war, jeden Abend zu der Frau, die man liebte, nach
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