Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Reihe von Veränderungen in der Grundstruktur der angarakanischen Gesellschaft ein. Es scheint, als habe Torak an einer merkwürdigen Verblendung bezüglich der Natur der menschlichen Kultur gelitten. Für ihn waren Menschen nur Menschen, und er mißachtete jegliche Rangunterschiede. Als Torak die Bewohner von Cthol Mishrak rücksichtslos in drei Stämme teilte, die dann mit Gewalt auf den westlichen Kontinent getrieben wurden, um dort einen angarakanischen Brückenkopf zu errichten, machte er deshalb die augenfälligsten und oberflächlichsten Unterschiede zwischen ihnen zur Grundlage dieser Aufteilung.
Unglücklicherweise ist der augenfälligste Unterschied zwischen den Menschen der Klassenunterschied. Die in den Westen exportierten Kulturen waren daher zutiefst unnatürliche Gebilde, da die Teilung nach Klassenkriterien abrupt all das zerstörte, was eine menschliche Gemeinschaft ausmacht. Selbst die oberflächlichste Kenntnis des Dialekts, der sich in Cthol Murgos entwickelt hatte, enthüllt die grundlegenden Unterschiede zwischen den drei westlichen Stämmen. In diesem Dialekt bedeutet ›Murgo‹ Edelmann, das Wort ›Thull‹ bedeutet Sklave oder Bauer, und ›Nadrak‹ bedeutet Händler. Dies waren natürlich die Namen, die Torak den drei Stämmen gab, bevor er sie in den Westen schickte. Um dafür zu sorgen, daß sie ihren Aufgaben mit unermüdlicher Begeisterung nachkamen, sandte er seinen Schüler Ctuchik zusammen mit jedem dritten Grolim in Mallorea aus, sie auf ihrer Wanderung zu begleiten. Die schlagartige Dezimierung der GrolimReihen beschnitt die Macht der Kirche in Alt-Mallorea und den unterworfenen Königreichen des Ostens empfindlich und markierte einen weiteren Schritt hin zu einer säkularisierten malloreanischen Gesellschaft.
Der große Treck über die Landbrücke zum westlichen Kontinent kostete die westlichen Stämme der Angarakaner annähernd eine Million Tote, und die Länder, in die sie zogen, erwiesen sich als sehr unwirtlich. Die Murgos übernahmen in Übereinstimmung mit ihrer Stellung als Aristokratie die Führung des Marsches. So kam es, daß ihr Gebiet am weitesten von diesem natürlichen Dammweg entfernt liegt, den die Landbrücke bildet. Die Thulls, ihren früheren Herren noch immer hündisch ergeben, folgten ihnen auf dem Fuße. Die Nadraker hingegen waren es zufrieden, einen möglichst großen Abstand zu den Murgos zu halten. Natürlich waren es auch die Nadraker, die sich am schnellsten an die Bedingungen anpaßten, die sie in ihrer neuen Heimat vorfanden. Eine im Grunde durch die Mittelschicht bestimmte Gesellschaft hat wenig Bedarf an Sklaven und noch weniger an Herren. Die thullische Gesellschaft konnte funktionieren, wenn auch nur in Ansätzen. Für die Murgos jedoch kam die neue Situation einer Katastrophe gleich. Da sie Aristokraten waren, die Kriegerkaste also, war ihre Gesellschaft nach militärischen Regeln strukturiert, wobei die Stellung sich größtenteils aus dem militärischen Rang ergab. Darüber hinaus gründeten sich ihre Entscheidungen häufig auf militärische Überlegungen. Deshalb war ihr erster größerer Haltepunkt auf der Wanderung in den Süden Rak Goska. Vom militärisch-strategischen Standpunkt aus betrachtet, besitzt Rak Goska eine hervorragende Lage. Als Platz für eine blühende Stadt jedoch ist diese Lage denkbar ungeeignet. Das angrenzende Gebiet besteht aus der unfruchtbaren, für Landwirtschaft ungeeigneten Öde von Murgos; daher muß alle Nahrung eingeführt werden. Um alles noch schlimmer zu machen, sind Murgos miserable Bauern. Zunächst waren die Thulls nur allzu bereit, die Bedürfnisse ihrer früheren Herren auch weiterhin zu befriedigen, doch als Zeit und Entfernung die einstigen Bindungen zwischen den Nationen zerfallen ließen, wurde der thullische Beitrag zum Lebensunterhalt der Murgos zu einem dürftigen Rinnsal. Die hungernden Murgos reagierten mit einer Reihe von Strafexpeditionen nach Mishrak ac Thull, bis ein scharfer Befehl Toraks (von Ctuchik übermittelt) diesen Militärzügen ein Ende setzte. Die Situation der Murgos wurde rasch lebensbedrohlich. Zu diesem Zeitpunkt erfolgten die ersten Kontakte mit den schmierigen nyissanischen Sklavenhändlern. Die Nyissaner hatten schon lange Raubzüge in die südlichen Gefilde des Kontinents unternommen, um Sklaven zu fangen, in Regionen also, die von einer schlichten, fügsamen Rasse von Menschen bewohnt wurde, die offenbar entfernt mit den Dalasern in Südwestmallorea verwandt waren.
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