Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
wahrlich, selbst was die tiefsten Tiefen der Erde und die undurchdringlichste Dunkelheit verbargen. Darüber hinaus vermochte das Juwel in der Hand Aldurs Wunder zu wirken, wie weder Mensch noch Gott sie je zuvor erblickt hatten.
Torak gelüstete es, seiner Schönheit und Macht wegen, nach dem Auge Aldurs, und in den tiefsten Abgründen seiner Seele beschloß er, das Kleinod in seinen Besitz zu bringen, selbst wenn Aldurs Tod der Preis dafür wäre. Und heuchlerisch begab er sich zu Aldur und sprach zu ihm.
»Mein Bruder«, sagte er, »es geziemt sich nicht, daß du dich abseits hältst, fern der Gesellschaft und dem Rat deiner Brüder. Ich ersuche dich, nimm dich eines Volkes an und kehre zurück in unsere Mitte.« Und Aldur blickte auf Torak, seinen Bruder, und wies ihn zurecht. Er sagte: »Nicht ich bin es, der sich von der Bruderschaft abgewandt hat, um Herrschaft und Macht zu suchen.«
Torak war beschämt ob der Worte Aldurs, seines Bruders, und blanker Zorn übermannte ihn. Er erhob sich wider seinen Bruder und schlug ihn, und er streckte die Hand aus nach dem begehrten Juwel und nahm es an sich und floh.
Aldur rief die anderen Göttern und berichtete, was sich zugetragen hatte.
Da erhoben sich die Götter, und jeder von ihnen redete Torak zu, er möge seinem Bruder Aldur das Auge zurückgeben. Doch Torak weigerte sich. Und so kam es, daß jeder der Götter sein Volk anwies, zum Krieg zu rüsten.
Und wisset, Torak hob das Auge Aldurs und ließ die Erde zerbersten; die Berge stürzten ein, und die See schwoll an und verschlang die Länder des Ostens, wo die Völker der Götter lebten. Und die Götter nahmen ihre Völker und flohen vor der herantosenden See. Aldur und Belar jedoch reichten sich die Hände und vereinten ihren Willen, ließen Berge sich erheben und setzten der See Grenzen. Und die Götter wurden voneinander getrennt, wie auch die Völker. Und die Zeitrechnung der Menschen begann von dem Tag an, da Torak das Land gespalten hatte.
Nun geschah es, daß die sechs Götter mit ihren Völkern nach Westen zogen, während Torak die Angarakaner nach Osten führte. Und nun trennte die See die Angarakaner von den übrigen Völkern. Nicht ungestraft jedoch zerbrach Torak die Welt, denn die Wirkung des Auges war von solcher Art, daß es zu glühen begann, als Torak es auf die Erde und auf die Berge richtete. Seine Glut wuchs mit jedem Befehl Toraks. Und das blaue Feuer jener fernen Sterne verzehrte Toraks Fleisch. In seinem Schmerz zerschlug er die Berge und zerschmetterte rasend vor Pein die Welt. In Todesqualen ließ er die See das Land verschlingen. Und so mißbrauchte Torak die Macht des Auges für üble Zwecke.
Wisset, die linke Hand Toraks wurde vom Feuer des Auges vollkommen verbrannt; die Finger flammten wie Zunder und zerfielen zu Asche. Und das Fleisch seiner linken Gesichtshälfte schmolz wie Wachs im heiligen Feuer des Aldurauges, und sein eigenes Auge kochte in seiner Höhle. *
Und Torak stieß einen gewaltigen Schrei aus und warf sich in die See, um den brennenden Schmerz zu stillen, doch selbst dies brachte keine Linderung. Wahrlich, es steht geschrieben, daß Toraks Qualen in alle Ewigkeit währen.
Die Angarakaner waren verzweifelt ob der Pein ihres Gottes, und
sie gingen zu ihm und fragten, was sie tun konnten, um ihn von
diesem Schmerz zu befreien.
Da rief Torak den Namen des Auges.
Und sie versuchten, ihm das Auge zu bringen, doch das Feuer, das im Auge erwacht war, verschlang alle, die es berührten, so daß sie eine große eherne Truhe schufen, um das Auge darin zu tragen. Und wisset, als Torak die Truhe öffnete, brannte das Auge mit neu entfachtem Feuer, und Torak schrie auf und schleuderte es von sich.
Da sprachen die Angarakaner zu ihm und sagten: »Herr, möchtet Ihr, daß wir dieses Ding zerstören oder in die See werfen?« Und wieder schrie Torak auf und rief: »Nein! Wahrlich, ich werde jeden vernichten, der die Hand gegen dieses Juwel erhebt. Auch wenn ich es nicht berühren, ja nicht einmal betrachten kann, habe ich es doch teuer erworben, und niemals werde ich mich davon trennen.«
Und wisset, Torak, einst der schönste der Götter, stieg aus dem Wasser. Seine rechte Seite war unversehrt und anziehend, die linke Seite aber verbrannt und gezeichnet vom Feuer des Auges, das ihn solcherart für seinen Frevel bestraft hatte.
Für die Verstümmelung eines Gottes gibt es in den Mythen dieser Welt keine Parallele. Milton verbannte allerdings Luzifer für alle Ewigkeit in
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