Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
gefräßigen Löwen, schwarzen Jägern und indischen Eisenbahnarbeitern gejagt?
    Beatrice hatte überhaupt keinen Anhaltspunkt. Und selbst wenn, hätte es ihr wohl kaum genützt. Die Steine der Fatima besaßen schließlich keine Zeiger, die man wie bei der Zeitmaschine von Orson Welles auf ein beliebiges Datum stellen konnte. Beatrice vermochte nicht einmal zu sagen, ob es überhaupt einen Auslösemechanismus gab, um die Macht der Steine zu aktivieren - und sei es nur eine Formel oder ein Gebet. Bislang hatte sie eher den Eindruck gehabt, dass sie zufällig und aus heiterem Himmel auf ihre »Reisen« geschickt worden war. Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Vielleicht blieben ihr wirklich nur die Worte von Frau Alizadeh, die sich unaufhörlich in ihrem Gedächtnis wiederholten wie ein Man- tra: »Du kannst dem Stein der Fatima vertrauen. Er tut nichts ohne Grund.«
    Beatrice kehrte zum Sofa zurück und öffnete den Kasten.
    Du hättest ein kindersicheres Schloss anbringen sollen, schimpfte sie mit sich. Dann hättest du allen Beteiligten sehr viel Ärger erspart.
    Es hatte keinen Zweck, sich jetzt darüber aufzuregen. Vermutlich hätte sie eine Menge tun können, um diese Situation zu verhindern. Doch irgendwo in einem Winkel ihres Verstandes herrschte die feste Überzeugung, dass sie dem Willen und der Macht des Steins ausgeliefert war. Selbst wenn sie die Saphire in einem Banksafe aufbewahrt hätte, wäre Michelle an sie herangekommen. Irgendwie. Sofern es in der Absicht der Steine lag, das zuzulassen. Wenn sie an Frau Alizadehs Worte glauben wollte, hatte der Stein offensichtlich seine Gründe, Michelle in die Zeit zu entführen - welche das auch immer sein mochten. Und wenn sie an Frau Alizadehs Worte glauben wollte, und das wollte sie, denn eine andere Chance hatte sie im Moment nicht, dann würde der andere Stein sie jetzt gleich dorthin bringen, wo Michelle war.
    Sofern er es will, dachte Beatrice in einem Anflug von Bitterkeit. Hatte Frau Alizadeh nicht auch gesagt, der Stein mache zuweilen einen richtig bösartigen Eindruck?
    Beatrice holte tief Luft und streckte ihre Hand nach dem Saphir aus. Er fühlte sich seltsam vertraut an, obwohl sie ihn schon lange nicht mehr in die Hand genommen hatte. Er war so schön. So warm und gleichzeitig kalt. Sie betrachtete ihn eine Weile. Und dann sah sie, dass er tief in seinem Innern zu strahlen und zu funkeln begann. So war es beide Male gewesen. Beide Male, bevor es losging.
    »Bitte«, flüsterte sie und schloss ihre Hände um den Stein. »Ich flehe dich an, bring mich zu meiner Tochter. Sie ist doch noch so klein. Sie wird furchtbare Angst haben. Ich möchte bei ihr sein.«
    Sie stellte erstaunt fest, dass sie plötzlich keine Zweifel mehr hatte. Sie glaubte fest daran, dass der Stein eine Absicht verfolgte. Sie war überzeugt davon, dass sie jetzt genau das tat, was er von ihr wollte. Er würde sie zu Michelle führen. Vielleicht auf Umwegen, aber er würde sie leiten. Jetzt hatte sie das Vertrauen, von dem Frau Alizadeh gesprochen hatte, wenn auch nur für einen Augenblick. Doch es schien zu reichen.
    Beatrice hätte vor Freude beinahe aufgeschrien, als sich die Wände langsam um sie herum zu drehen begannen. Immer schneller und schneller. Nun würde es nicht mehr lange dauern. Bald würde sie in einem anderen Land, in einer anderen Zeit sein. Und dort würde sie Michelle wiederfinden - sofern sie ihr Vertrauen nicht verlor. Voller Zuversicht schloss Beatrice die Augen.

Hewlett-Packard
    3.
    A li al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina saß zurückgelehnt in einem Sessel und ließ sich den Bart stutzen. Der Barbier tanzte um ihn herum wie ein Derwisch. Der Mann war jung und lebte noch nicht lange in der Stadt. Erst vor kurzem hatte er sein Geschäft eröffnet. Und dass bereits an einem der ersten Tage Ali al Hussein, der berühmte Gelehrte und Leibarzt des Emirs, den Weg zu ihm gefunden hatte, erfüllte ihn mit Dankbarkeit, Freude und Stolz. Das merkte man ihm deutlich an.
    Während der junge Barbier Alis Bart eifrig mit einem köstlich duftenden Schaum einrieb und sich dann geschickt mit seinem Rasiermesser ans Werk machte, stand seine Zunge keinen Augenblick still. Immer wieder pries er Allah für seine außerordentliche Güte, und zwischendurch überschlug er sich fast vor Lob und Begeisterung über die Taten seines berühmten Kunden, die man sich, so sagte er wenigstens, nicht nur in Qazwin, sondern überall in den Städten der Gläubigen erzählte.
    Ali versuchte

Weitere Kostenlose Bücher