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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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gesegnet hat, denn eines sage ich euch: Kasims Rasur ist so sanft, dass ich noch nicht einmal bemerkt habe, wie sein Messer mich geritzt hat! Preist die Güte und Allmacht Allahs, die uns so einen hervorragenden Barbier in die Stadt gesandt hat!«
    Die Menschenmenge jubelte und fiel in den Lobpreis Allahs ein. Ali klopfte Kasim aufmunternd auf die Schulter.
    »Kehre jetzt zurück, Kasim,«, flüsterte er und wischte sich mit dem Handtuch die Überreste des Schaums vom Gesicht. »Ich bin sicher, es wird nicht lange dauern, bis der Ansturm auf dein Geschäft beginnt.«
    Er drückte dem Barbier das schmutzige Handtuch und eine Goldmünze in die Hand. Der junge Mann lächelte unsicher, als könnte er immer noch nicht begreifen, was soeben geschehen war.
    »Herr, ich kann kein Geld von Euch annehmen. Ihr habt so freundlich über mich gesprochen, dass ich ...«
    »Unsinn«, entgegnete Ali. »Gute Bezahlung für gute Arbeit. Außerdem, vielleicht ist wirklich ein Engel Allahs an deinem Haus vorübergeschwebt?«
    »Ich weiß nicht, wie ich Euch jemals danken soll, Herr«, stammelte der Barbier. Er verneigte sich vor Ali und griff nach dem Saum seines knöchellangen Gewandes, um ihn zu küssen, doch im letzten Augenblick verhinderte Ali dies. Solche Gesten waren ihm immer peinlich, besonders in der Öffentlichkeit.
    »Du kannst mir danken, indem du mir in Zukunft immer den Bart stutzt«, erwiderte er.
    »O Herr, das ist wirklich der Ehre ...«
    »Schon gut, schon gut. Suche mich in sieben Tagen um dieselbe Zeit in meinem Haus auf. Und sei pünktlich, Kasim, ich bin ein viel beschäftigter Mann.«
    »Sehr wohl, Herr, sehr wohl!« Kasim verneigte sich wieder und immer wieder.
    Ali ging langsam davon. Doch bei einem Tuchhändler blieb er stehen und schaute zurück. Ein Stück Stoff, eine Kostprobe für die Güte und Qualität der hier verkauften Ware, hing vom überstehenden Dach herab und verbarg ihn. Lächelnd beobachtete er, wie sich der junge Barbier umwandte und zu seinem Geschäft zurücklief, gefolgt von mindestens drei Männern, die laut miteinander stritten, wer von ihnen zuerst rasiert werden sollte.
    »Herr, habt Ihr die Absicht, Euch ein neues Gewand schneidern zu lassen?«, fragte der Tuchhändler, der in der
    Hoffnung, ein Geschäft machen zu können, auf ihn zueilte. »Ich habe einen ganz besonderen Stoff, den ich nur ausgewählten Kunden zeige. Soll ich ...«
    »Nein«, unterbrach Ali ihn kühl und ging davon, ohne den Tuchhändler noch eines Blickes zu würdigen. Er kannte diese Sorte Händler nur zu gut. Jedes weitere Wort hätte dazu geführt, dass er nur mit einem Bündel Stoff unter dem Arm wieder entkommen wäre. Er hatte keinen Bedarf an neuer Kleidung. Und wenn, würde er den Stoff gewiss nicht hier, nicht in dieser Gegend kaufen.
    Ali schlenderte weiter die engen Gassen und Straßen von Qazwin entlang und lenkte seine Schritte in die vornehmen Viertel in der Nähe des Palastes. Er begutachtete die Auslagen eines Schmuckhändlers, der den Ruf hatte, seine erlesenen Stücke sogar an den Emir zu verkaufen. Er bewunderte die Kunst eines Glasbläsers, der seine zerbrechliche Ware - winzige Phiolen, Parfümfläschchen und feine, in allen Farben des Regenbogens schimmernde Gläser - auf weich gepolsterten Kissen zur Schau stellte. Er blätterte auch in Büchern, die ihm einer der beiden Buchhändler anbot, in deren Geschäften er ein oft und gern gesehener Kunde war. Vor einem Messinghändler blieb er schließlich stehen. Eine große, schlichte Platte zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Im Gegensatz zu allen anderen Stücken des Händlers war sie nicht verziert und so blank geputzt, dass Ali sein Spiegelbild darin sehen konnte.
    In Gedanken versunken, betrachtete er sich - den dunklen, von immer breiter werdenden grauen Strähnen durchzogenen Bart, das ehemals schwarze, mittlerweile ebenfalls ergrauende Haar, das an beiden Seiten der Stirn zurückwich, als ob es sich vor einem unsichtbaren Schrecken fürchtete, die tiefen Falten um Augen und Mund. Das Gesicht, das er dort in der Messingplatte sah, erinnerte ihn an einen Jüngling, den er einmal gekannt hatte - einst, vor vielen, vielen Jahren.
    Selbst wenn die Frau, die am Geschäft des Barbiers vorbeigegangen war, Beatrice gewesen wäre, wie hätte sie ihn erkennen sollen? Eine lange Zeit war vergangen, seit jener rätselhafte Saphir sie ebenso unerwartet wieder aus seinem Leben gerissen hatte, wie sie dort aufgetaucht war. Den Jüngling, den Beatrice gekannt

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