Das Band des Mykerinos - Band 2 (Adrian Pallmers magische Abenteuer) (German Edition)
Pfad zu entdecken. Doch es schien wirklich der absolut einzige Weg zu sein, den es gab, außer man wollte direkt am Felsen hochklettern, was aber selbst für einen geübten Kletterer nahezu unmöglich sein würde. Letztendlich stand er kurz darauf wieder an der gleichen Stelle. Weil es sowieso keinen Sinn machen würde, sich an dem dünnen Faden festzuhalten, da dieser bei seinem Gewicht sofort reißen müsste, ließ er ihn einfach hängen und versuchte, einfach so an den Felsenstufen hochzuklettern. Schon nach zwei, drei Metern merkte Adrian jedoch, wie anstrengend es tatsächlich war. Selbst unter normalen Bedingungen und mit ausgezeichneter Fitness würde es nicht leicht sein, oben anzukommen. Doch mit der für ihn so ungewohnt dünnen Luft ging gar nichts! Wie ein nasser Sack rutschte er wieder herunter und blieb am Boden liegen, bis sein Herz allmählich aufhörte, wie verrückt gegen seine Rippen zu hämmern.
Aber auch ein geeigneter Zauber, mit dem er sich hätte leicht nach oben befördern können, wollte ihm einfach nicht einfallen. Also begann er wieder von vorn, nachdem er sich etwas erholt hatte, und kletterte bis zu einer Felsspalte, wo er sich erst einmal ausruhen konnte. Von dort kletterte er weiter, bis er wieder eine Stelle zum Verschnaufen fand. Aber schon beim nächsten Abschnitt ging ihm erneut die Puste aus und er rutschte die mühsam erklommene Höhe zurück, bis er wieder auf dem Boden angekommen war. Noch einmal machte er sich auf die Suche nach einem anderen Weg. Doch auch diesmal kehrte er erfolglos zu der Stelle zurück und startete seinen dritten Versuch, die steile Felswand mit den Stufen zu ersteigen, wobei er bei diesem Mal aber den dünnen Strick anfasste. Augenblicklich verwandelte er sich in ein kräftiges Schiffstau, an dem es ganz bestimmt kein Problem sein würde, nach oben zu klettern. Zumindest würde es sicher nicht durchreißen. Und tatsächlich erreichte er so ohne weitere Probleme das nächste Plateau und damit die nächste Schwierigkeit.
Eine schmale Brücke, die nur aus einem dicken Tau und zwei dünneren Seilen bestand, die ungefähr in Hüfthöhe in einem halben Meter Abstand über dem Tau verliefen, führte über den Abgrund zu dem anderen Gipfel des Berges, wo die Bauten des Klosters den Felsen schmückten. Beim genauen Hinsehen endeten jedoch die Seile genau in der Mitte zwischen den Gipfeln im Nichts, genau dort, wo der Abgrund am tiefsten war.
Der Anblick der Brücke versetzte Adrian in eine unheilvolle Starre. Auf dem Weg nach oben hatte er sich ja schon mehrmals überwunden und Dinge getan, die er früher nie getan hätte. Doch eine Seilbrücke, die einfach im Nichts endete, konnte er nicht betreten. Jede Faser seines Körpers weigerte sich dagegen. Da half es auch nichts, dass er sich immer und immer wieder klarmachte, dass er unbedingt dort rüber müsste. Er war schlichtweg unfähig weiterzugehen.
Entmutigt und irgendwie auch wütend über sich selbst, setzte sich Adrian auf den Boden und schloss die Augen. Sein Herz, das vor Panik noch immer raste, beruhigte sich nur ganz langsam. Obwohl er seine Augen geschlossen hielt, sah er schemenhaft vor sich die eigenartige Brücke. Um ihn herum herrschte fast perfekte Stille. Nur ganz leise rauschte ein leichter Luftzug über den Fels und die spärliche Vegetation. Weit in der Ferne ertönte der grelle Schrei eines Raubvogels. Ansonsten war nichts zu hören, außer sein eigenes, gleichmäßiges Atmen.
Adrian hielt für einen Moment die Luft an, um die völlige Stille noch mehr auf sich wirken zu lassen, doch das Atemgeräusch war weiterhin zu hören. Erschrocken öffnete er seine Augen und sah sich einem kleinen, alten Mann gegenübersitzen. Der Mann trug einen einfachen, grauen Umhang, der so lang war, dass er den Boden berührte. Darüber trug er noch ein langes, orangefarbenes Tuch, das er wie eine Schärpe um seine Hüfte und seine linke Schulter geschlungen hatte. Sein Haar war so überaus weiß, dass es im Schein der Sonne wie frisch gefallener Schnee leuchtete. Vom Gesicht waren nur die schmalen Augen und eine kleine Nase zu sehen. Der Rest des Gesichtes war von seinem ebenfalls schneeweißen Bart verdeckt, der so lang war, dass der Alte beim Laufen bestimmt aufpassen musste, dass er nicht aus Versehen drauftrat. Der Bart teilte sich ungefähr in der Mitte in zwei lange, spitze Enden auf. Seine Hände steckten in dem Tuch, sodass Adrian sie nicht sehen konnte. Und obwohl der alte Mann ziemlich klein war,
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