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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bedeuten?«
    »Ja. Ich liebe Rußland.«
    »Aha! Sie kennen Rußland, Mr. Calling?«
    »Sehr gut, Reverend.« Calling lehnte sich auf seiner Liege weit zurück. »Und Rußland liebt mich. Die Schlacht von Poltawa war die Geburt eines unbesiegbaren Reiches.«
    »So ist es.« Reverend Killroad wischte sich über die Augen und blickte durch die gespreizten Finger Calling an. Was meint er damit, rätselte er. Die Schlacht von Poltawa? Wir Amerikaner haben doch im letzten Krieg nicht in Rußland gekämpft? Oder war Calling in Rußland bei einem Spezialverband? Man hat nie von einer solchen Truppe gehört. »Rußland muß schön sein.«
    »Wunderschön. Im Winter … die Schlittenfahrten durch die Wälder … im Sommer das Segeln auf dem Meer mit dem Blick auf mein Petersburg … man kann es einfach nicht erklären. Und aus dem Nichts habe ich es gestampft, aus einem elenden, unbebaubaren, fiebrigen Sumpfgebiet. Es sollte schöner werden als Paris. Ein Juwel unter den Städten der Welt.«
    »Wenn nur die Bolschewisten nicht wären …«, sagte Reverend Killroad vorsichtig. Irgendwie kam ihm Calling jetzt unheimlich vor.
    Ron hob den Kopf und starrte Killroad an. »Ich kenne keine Bolschewisten«, sagte er erstaunt. »Was ist das?«
    »Sie interessieren sich überhaupt nicht für Politik, nicht wahr?«
    »Wie können Sie das behaupten?« Calling sprang auf. »Schweden muß besiegt werden, und ich will Polen haben!«
    »Ein großer Plan, Mr. Calling …«, stotterte Killroad verwirrt. Auch er sprang von dem Liegestuhl auf. »Wann darf ich wiederkommen mit den Plänen?«
    »Jederzeit. Pläne machen mich fröhlich.«
    Calling begleitete Killroad bis zum Eingangstor in der hohen Mauer, drückte ihm so fest die Hand, daß der Reverend das Gesicht verzog und die Hand nachher vorsichtig schüttelte, um zu sehen, ob nichts gebrochen war, und winkte ihm nach, bis er in den Hügeln verschwand.
    Zu Hause angekommen, griff Killroad sofort nach einem Lexikon, schlug unter Poltawa nach und las: Gebietshauptstadt in der Ukraine. Im Nordischen Krieg siegte hier Peter der Große 1709 entscheidend über den Schwedenkönig Karl XII.
    Killroad ließ das Lexikon auf den Teppich fallen, starrte gegen die Wand und hatte dann einen dreifachen Whiskey nötig. Er ist verrückt, dachte er. Lieber Gott, er ist schizophren! Er bildet sich ein, Zar Peter der Große zu sein: Mein Rußland, mein Petersburg, ich will Polen haben, meine Stadt aus dem Sumpf gestampft, das Juwel unter allen Städten der Welt … Jesus, er ist verrückt. Jetzt muß man sich beeilen, der Altar muß stehen, bevor er ganz verrückt ist.
    Reverend Killroad sprach mit niemandem über seinen Verdacht, auch später nicht, als der Altar längst in der Kirche stand und bewundert wurde. Ab und zu besuchte er Ron Calling, unterhielt sich mit ihm über den verräterischen Zarewitsch und dessen Bauernhure, über die Zarin Katharina und lachte gequält, wenn Calling von seinen Zwergen und Krüppeln erzählte, die während der Festessen Faxen und Possen reißen mußten.
    Mit den Jahren gewöhnte sich Whitesands an seinen merkwürdigen Bewohner. Er war ein großzügiger Mäzen, nicht so generös wie Williams, dessen Reichtum alles erlaubte, aber wenn Mr. Calling fünftausend Dollar für den Bau eines Golfplatzes stiftete, war das eine Großzügigkeit, die man loben mußte. Da konnte er noch so wunderlich sein und werden – er hatte ein Herz für seine Mitmenschen. Und nur das zählt. Verschrobenheit ist eine persönliche Angelegenheit, solange sie nicht andere einschränkt. Und das war bei Mr. Calling nicht zu erwarten.
    Vor zehn Jahren hatte er dann begonnen, mit seinen großen Holzschiffen im Meer zu spielen, wenn die Wellen ruhig waren und er in dem langen Gummioverall bis zum Bauch ins Wasser watete, im Rock eines russischen Admirals, und eine Seeschlacht entfachte, bei der er sogar einige Schiffe brennen ließ und die Hand an die Stirn legte, wenn sie untergingen.
    Ein armer, reicher Mensch, sagten die Whitesandser mitleidig und mitfühlend. Mit jedem Jahr wird er verrückter. Aber wer kann ihm helfen? Er läßt ja keinen in sein Haus hinein. Und einen Arzt ruft er auch nicht. Nur der Reverend darf zu ihm, und Killroad schweigt, wie es seine Priesterpflicht ist. Paßt auf … eines Tages findet er ihn tot im Sessel, auf der Terrasse oder in irgendeiner Ecke.
    Aber noch legt er Blumen am Ehrenmal für Joe Williams nieder …
    Jeden Tag, meistens um die Mittagszeit, zog Joe Williams die

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