Seelen
Menü
I mplantiert – P rolog
D er Heiler hieß Fords Deep Waters.
Wie alle Seelen war er von Natur aus gut: mitfühlend, geduldig, ehrlich, anständig und liebevoll. Nervosität war ungewöhnlich für Fords Deep Waters.
Gereiztheit erst recht. Da Fords Deep Waters jedoch in einem menschlichen Körper lebte, war Gereiztheit manchmal unvermeidlich.
Als er die Studenten der Heilkunst in der anderen Ecke des Operationssaals murmeln hörte, kniff er fest die Lippen aufeinander. Der Ausdruck schien auf seinem Gesicht, dem das Lächeln viel mehr lag, irgendwie fehl am Platz.
Darren, sein Assistent, sah die Grimasse und klopfte ihm auf die Schulter.
»Sie sind nur neugierig, Fords«, sagte er beruhigend.
»Eine solche Implantation ist wohl kaum eine interessante oder anspruchsvolle Prozedur. Jede Seele da draußen könnte sie im Notfall durchführen. Sie können durchs Zusehen hier heute nichts lernen.« Fords war überrascht von dem scharfen Unterton, der sich in seine sonst so ruhige Stimme geschlichen hatte.
»Sie haben noch nie einen erwachsenen Menschen gesehen«, sagte Darren.
Fords zog eine Augenbraue hoch. »Sind sie blind? Oder gucken sie sich nie gegenseitig ins Gesicht? Haben sie keine Spiegel?«
»Du weißt schon, was ich meine - einen wilden Menschen. Noch seelenlos. Einen der Aufständischen.«
Fords betrachtete den bewusstlosen Körper des Mädchens, das bäuchlings auf dem Operationstisch lag. Beim Gedanken daran, wie der arme zerschundene Körper zugerichtet gewesen war, als die Sucher ihn in die Heileinrichtung gebracht hatten, ergriff ihn tiefes Mitleid. Sie hatte solche Schmerzen ertragen müssen …
Jetzt war sie natürlich makellos - vollständig geheilt. Dafür hatte Fords gesorgt.
»Sie sieht genauso aus wie eine von uns«, sagte Fords leise zu Darren. »Wir alle haben menschliche Gesichter. Und wenn sie aufwacht, wird sie auch eine von uns sein.«
»Sie finden es eben einfach aufregend, das ist alles.«
»Die Seele, die wir heute implantieren, verdient Respekt. Ich will nicht, dass ihr Wirtskörper derart begafft wird. Sie wird während der Eingewöhnung schon mehr als genug Schwierigkeiten haben. Es ist nicht fair, sie das hier durchmachen zu lassen.« Mit das hier meinte er nicht das Begafft werden. Fords merkte, wie der scharfe Unterton in seine Stimme zurückkehrte.
Darren klopfte ihm erneut auf die Schulter. »Es wird alles gut. Die Sucherin braucht Informationen und …«
Beim Wort Sucherin schoss Fords einen Blick auf Darren ab, den man nur als feindselig bezeichnen konnte. Darren blinzelte erschrocken.
»Tut mir leid«, entschuldigte Fords sich sofort. »Ich wollte nicht überreagieren. Ich habe einfach Angst um diese Seele.«
Seine Augen wanderten zu dem Tiefkühlbehälter auf dem Gestell neben dem Tisch. Die Lampe leuchtete matt rot, was anzeigte, dass der Behälter belegt und die Kühlfunktion eingeschaltet war.
»Diese Seele ist für genau diese Aufgabe ausgewählt worden«, sagte Darren beschwichtigend. »Sie ist etwas ganz Besonderes, mutiger als die meisten von uns. Ihre Leben sprechen für sich. Ich bin sicher, sie würde sich freiwillig melden, wenn man sie fragen könnte.«
»Wer von uns würde sich nicht freiwillig melden, wenn wir etwas für das Allgemeinwohl tun könnten? Aber ist das wirklich der Fall? Nützt das hier dem Allgemeinwohl? Es geht nicht um ihre Bereitschaft, sondern darum, was man einer Seele zumuten kann.«
Die Studenten unterhielten sich ebenfalls über die tiefgekühlte Seele. Fords konnte ihr Geflüster deutlich verstehen; die Stimmen wurden vor Aufregung immer lauter.
»Sie hat auf sechs Planeten gelebt.«
»Ich dachte, sieben.«
»Ich habe gehört, dass sie keine Wirtsart zweimal bewohnt hat.«
»Ist das möglich?«
»Sie ist schon fast alles gewesen. Eine Blume, ein Bär, eine Spinne …«
»Sehtang, eine Fledermaus …«
»Sogar ein Drache!«
» Sieben Planeten? Das glaube ich nicht!«
»Mindestens sieben. Angefangen hat sie auf dem Ursprung.«
»Wirklich? Dem Ursprung?«
»Ruhe, bitte!«, unterbrach Fords. »Wenn Sie nicht in der Lage sind, konzentriert und leise zuzusehen, muss ich Sie bitten zu gehen.«
Die sechs Studenten verstummten beschämt und traten auseinander.
»Lass uns weitermachen, Darren.«
Es war alles bereit. Die nötigen Medikamente waren neben dem Menschenmädchen zurechtgelegt. Ihr langes dunkles Haar war unter einer OP-Haube verborgen und ließ den schlanken Nacken frei. Tief betäubt, atmete sie
Weitere Kostenlose Bücher