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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dicken Läden an den drei hohen Fenstern im linken Flügel seines Hauses hoch, über dem in strahlender Sonne die Zwiebelkuppel glänzte. Er stieß die Fenster auf, ließ Luft und Licht in den Raum, ging dann zu einem mit rotem Samt bezogenen, geschnitzten und vergoldeten Sessel und setzte sich hinein. Er hatte die Generalsuniform der zaristischen Garde angelegt, stützte sich auf einen Stock aus spanischem Rohr mit einer in Elfenbein geschnittenen Krücke und starrte mit stolzem Blick um sich.
    Um ihn herum schimmerten, glitzerten und leuchteten die Wände aus Bernstein wie tausende kleine Sonnen. Die Girlanden funkelten, die Simse und Friese warfen vielfach gebrochen das Sonnenlicht zurück, die Köpfe der Engel, Krieger und Blütenmädchen schienen im Wechselspiel von Sonne und Schatten lebendig zu werden. So ungeheuer war der goldene Glanz des ›Sonnensteins‹ im Licht von Mississippi, so leuchtend das Farbenspiel der Bernsteinmosaike, daß Joe Williams ab und zu die Augen schließen mußte, um nicht geblendet zu werden.
    Fast zwei Stunden saß er in dem Prunksessel mitten im Bernsteinzimmer, jeden Tag, seit über zwanzig Jahren, den spanischen Stock zwischen die Knie geklemmt, die Hände zu Fäusten geballt auf den Lehnen, und blickte durch die Fenster hinaus über das Meer, das in sanften Wellen gegen den feinsandigen Strand lief.
    Mein Petersburg. Das Meer mit den stolzen Schiffen, deren Segelmaste hoch in den Himmel stießen, der Atem der Freiheit, der mit dem Wind über das Land strich, die göttliche Ruhe des Bernsteinzimmers, in das man flüchtete, wenn das Herz voll und die Gedanken überladen waren, mein Reich, mein Rußland, meine eigene Welt, von mir erschaffen … So überwältigend war es, daß Joe Williams jedesmal die Augen schloß, die Fäuste gegen die Brust preßte und das Gefühl hatte, an seinem Glück zu ersticken.
    Nach einer Stunde schweigenden Sitzens begann Joe zu sprechen. Ab und zu stand er auch auf, ging die sonnenglänzenden Bernsteinwände entlang, blieb vor den eingelassenen Spiegeln stehen und betrachtete sich. Dann hob er auch hin und wieder die Hand, um einen Kopf zu streicheln, eine Rosette mit den Fingern nachzuziehen oder eine Girlande zu verfolgen, und dabei sprach er in würdevollem Ton mit sich selbst, mit seinem russischen Volk, mit Gott sogar und hinaus in alle Welt.
    »Ich habe die Pflicht« – sagte er einmal und blickte hinauf zu dem Kopf eines sterbenden Kriegers – »für mein Volk zu leben, aber auch für mein Volk zu sterben, wenn es ihm nützt. Solange es eine schwedische Flotte gibt und ich nicht Herr der Ostsee bin, finde ich keinen Schlaf. Ein großes Heer habe ich aufgebaut, das stärkste der Welt, selbst die Preußen sind mir unterlegen … aber ich muß mehr tun für meine Flotte. Ich muß bauen, bauen, bauen … Und an Sibirien muß ich denken. Was weiß man von Sibirien? Wieviel unbekanntes Land gibt es dort noch. Helft mir, ihr guten Geister, das Werk zu vollenden.«
    Nach zwei Stunden schloß er die Fenster wieder, ließ die Jalousien herunter, verriegelte die Tür, hängte sich den Schlüssel um den Hals, zog die Generalsuniform und die langen Gummistiefel an und ging hinunter zum Meer, wo in einer kleinen Sandbucht seine ›Flotte‹ ankerte. Es waren Holzschiffe, wie sie zur Zeit Peter des Großen gebaut wurden, voll unter Segel, jedes ungefähr einen Meter fünfzig lang und entsprechend hoch im Mast, eine stolze Armada, bereit, den Schweden die Ostsee wegzunehmen. Und dann schob er die Schiffe ins Meer, dirigierte sie mit einem langen Stab hin und her, ließ sie in Kiellinie laufen, in breiter Angriffsfront und in Rammpositionen.
    Je älter er wurde, um so wunderlicher wurde er. David Hoven, der Feuerwehrkommandant, der viel Zeit hatte, denn in Whitesands hatte es seit vierzehn Jahren nicht mehr gebrannt und sein Beruf als Schlossermeister strapazierte ihn auch nicht übermäßig, der also viel angeln ging und stundenlang auf einer Holzmole am Meer saß und Ron Calling mit seinen Schiffen beobachtete, erzählte seiner Frau Lornie regelmäßig, was der Alte wieder an neuen Marotten erfunden hatte.
    »Gestern ist ein Schiff von ihm verbrannt«, sagte er. »Wirft der Idiot eine Fackel in den Kahn, und als der natürlich sofort in Flammen aufgeht, springt er im Meer herum, rauft sich die Haare, steht dann stramm und grüßt, als das Schiff untergeht. Und dann« – Hoven holte tief Luft – »ging er ans Ufer, breitete die Arme weit aus und schrie

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