Das Beste aus meinem Leben
weil sie das Ichsagemal nicht mehr hätten. Dann würden sie anfangen zu weinen – alles bloß wegen dreier Worte, die ihnen nicht mehr zur Verfügung stünden. Verrückt, was? Aber so ist es.
Was ich sagen will: Ich sage dieses »Na denn…« schon längst nicht mehr, sondern mache es, und zwar nicht willentlich, sondern unwillkürlich, so wie ein Bekannter von mir immerzu »Ngpffft« mit der Nase macht, ohne es selbst noch zu merken – er hat irgend etwas mit der Stirnhöhle. »Na denn« ist ein etwa dem Schnarchen gleichgestelltes Geräusch, wobei ich ausdrücklich erwähnen möchte, dass ich nicht schnarche – aber auf diese Auskunft sollten Sie nicht viel geben. Mein Vater zum Beispiel leugnete stets, dass er schnarchte, obwohl er so sehr schnarchte, dass man ihn noch am anderen Ende der Stadt hörte. Selbst als ich 600 Kilometer weit weggezogen war, konnte ich nachts aus den Geräuschen der großen Stadt sehr leise meinen schlafenden Alten heraushören.
Dabei fällt mir ein Freund ein, der seine Sätze nicht mit »Na denn…« oder »Ja gut…« zu beginnen pflegte, sondern – das ist wirklich wahr – immer und immer und immer mit: »Du wirst lachen…« Einmal traf ich ihn auf der Straße. Ich fragte ihn, wie es ihm gehe, und er sagte: »Du wirst lachen: Meine Frau hat mich verlassen.«
Verspannt in alle Ewigkeit
D amen und Herren, nehmen Sie die Parade der Alltagsversehrten unter meinen Freunden ab!
Hier haben wir meinen alten Wegbegleiter Paul: Stören Sie sich nicht an dem kleinen Brummen, das aus seiner Kleidung dringt – es ist sein Blutdruckmessgerät, er muss es für 24 Stunden tragen. Der da kopfüber von der Decke hängt wie eine Fledermaus, ist Dieter. Er lässt seine Rückenprobleme behandeln, die ihn oft schräg durch die Welt gehen lassen wie ein sturmgepeitschtes Ausrufezeichen. Der Herr mit dem verbeulten Gesicht? Mein Steuerberater. Er wurde von unerklärlichen Schwellungen am Schädel befallen, sein Kopffleisch sah aus wie von enormen Mücken bearbeitet – es müsse mit dem plötzlichen Stressabfall am ersten Tag eines Kurzurlaubs zu tun haben, sagt er. Der Mann mit dem roten Gesicht: Peter, an einer Allergie gegen den eigenen Schweiß leidend. Man befürchtet, die Sache könne sich zu einer Gesamtunverträglichkeit mit sich selbst entwickeln.
Nun zu mir. Seit Jahren kämpfe ich gegen die mangelnde Elastizität meines Körpers, gegen Sehnenverkürzungen, Muskelhärte, Nackenverspannungen, kurz, gegen eine brettartige Physis, mit der ich als Versteifungselement im Gerüstbau oder als Treppenstufe Verwendung fände, hätte ich nicht noch andere Talente.
Was habe ich nicht alles zu meiner Erweichung getan! Ich besuchte einen Masseur, der mich nach Art entfesselter Karateka zu einem Puzzle zerhackte, das mein Sohn Luis wieder zusammensetzen durfte. Ich ging zu einer Gymnastin, welche mich im 90-Grad-Winkel sitzen ließ, die Beine gestreckt, die Knie mit Sandsäcken beschwert, der Oberkörper aufwärts gerichtet, ein perfekter, schmerzgequälter rechter Winkel. Noch heute findet mein Foto in diesem Zustand im Geometrieunterricht einiger Schulen Verwendung. Auch suchte ich eine in tantrischer Massage geschulte Dame auf, welche auf meinem Bauch Sensoren eines Abhörgerätes befestigte. Dessen Kabel führten zu einem Kopfhörer, den sie sich aufsetzte. So übersetzte sie mein Leibesgegrummel in Handbewegungen, wurde zur Dienerin meines Gedärms, bis das Haus unter der Gewalt meines Gelächters einstürzte. Ihre letzten Worte: »Sie hätten sagen müssen, dass Sie kitzlig sind.«
Solche Geschichten erzählen wir, wenn wir von den Schlachten des Alltags berichten wie die Väter vom Krieg: Pauls legendärer Blinddarmdurchbruch nahe Uelzen, Arthurs Nierensteinabgang im ICE nach Stuttgart, Gerds Herzinfarkt in London, der kein Herzinfarkt war, sondern eine Magenkolik – er ist unser Jüngster und kann noch nicht unterscheiden zwischen den Schmerzen.
Ich bin seit kurzem nicht mehr anwesend bei diesen Gesprächen, seit nämlich Paola mich zu meiner definitiven Elastifizierung bei einer Ayurveda-Massage anmeldete. Ich betrat nichts ahnend eine Praxis am Stadtrand. Zwei Damen erwarteten mich. Ich solle mich entkleiden, sagten sie. Ich entkleidete mich bis auf die Shorts.
»Ganz nackt!«, sagten die Damen.
Ich schluckte, legte mich rücklings nackt auf eine Bank, wurde mit warmem Öl begossen und massiert: Eine Dame übernahm das linke, die andere das rechte Bein, danach die eine den Bauch
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