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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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und gepanzerten Scharen, die nahe der Tür aufgestellt waren und uns beobachteten, mich nicht mehr sehen konnten. Auch ich sah sie nicht mehr und weiß daher nicht, wie wir an ihnen vorbeikamen, ob er sie totbiß oder ob sie ihn lauernd, aber tatenlos an sich vorbeiließen, weil sie wußten, daß ich ihnen später und früh genug anheimfallen würde, wenn er einmal nicht da wäre, um mich zu schützen.
    Wir waren bald auf der Straße und sahen die Fassaden im weißen Mondlicht, überall üppig blühende Bäume, deren Blütenblätter |34| langsam auf den Boden sanken und das Pflaster mit einem Teppich bedeckten, der sich in feuchten Schmutz überall da verwandelte, wo wir hintreten wollten. Dabei mußten wir weiter, wir durften nicht verweilen, denn jeden Augenblick konnte die eigentliche Todesgefahr aus einem der Hauseingänge herauskommen und den Schicksalskampf erzwingen. Das Schneien der Blütenblätter hielt uns dennoch fest, und der Bär erklärte mir die Häuser und ihre Bewohner, die er teilweise schon getötet hatte, teilweise noch töten würde, wenn sie erwachen sollten und aus dem Fenster nach ihm Ausschau hielten.
    Es ist falsch zu sagen, daß die Gefahr dann plötzlich eintrat, denn daß sie jeden Augenblick eintreten konnte, war uns bewußt. Wir erwarteten sie geradezu und hielten uns eigentlich nur deshalb so lange bei den Häusern auf, um ihr Gelegenheit zu geben, endlich zu erscheinen. Dennoch war es wie ein grauenvoller Paukenschlag, als sich in die stille weiße Welt der Schatten eines Fahrrades schob, das niemand anderem gehörte als ihr – Madame Ines Wafelaerts, und schon stand sie selber da zwischen den Mülltonnen ihres Hauseingangs, aber sie sah uns nicht. Es gab zwei Kostüme, in denen sie auftreten konnte: Das eine war eine weitfallende zinnoberrote Jacke und schwarze Keilhosen, ein schwarzer Turban und vor den alterslosen Augen eine schmetterlingsgeformte schwarze Brille, denn sie war früher eine berühmte Rennfahrerin gewesen und hatte mit einem Kongoneger am Kilimandscharo gezeltet; das andere war eine strenge Rotekreuzschwesterntracht mit einer weißen Haube, auf deren Zelluloidstreifen das Rote Kreuz blutig strahlte, dann war sie noch schrecklicher, denn dann trug sie am Fahrradlenker eine Reitpeitsche, die sie für den Kampf gegen mich mit sich führte.
    Meistens wechselte sie die Kostüme während des Kampfes. Sie gaben ihr eine Kraft, die sie unverwundbar machte und erschreckend war gegen meine waffenlose Blöße.
    Wir standen lange und taten, als ob wir uns unterhielten, um Madame Wafelaerts zu zeigen, daß wir in eine andere Richtung gehen wollten als sie, denn sie hörte uns zu, obwohl sie ihrerseits tat, als füttere sie eine Kohlmeise, von der sie einmal behauptet |35| hatte, daß sie ihr gehöre, um sie wieder einzufangen. Aber dies Idyll war trügerisch, denn bei der geringsten falschen Bewegung würde sie das Fahrrad herumschwenken, mich ins Visier fassen und angreifen.
    Nicht immer kam es zum Kampf. Wenn ich viele Stunden unbeteiligt mit dem Bären sprach, dann konnte es sein, daß meine Angst mir ihren Zorn ersparte. Ich war dann zu Tode erschöpft und nicht eigentlich befreit, aber ich war nicht immer gleichermaßen wild auf ihr Blut und mußte deshalb warten. Manchmal aber geschah es, daß der Bär, obwohl ich ihn inständig bat, sich ruhig zu verhalten, eine falsche Bewegung machte, und dann riß sie das Fahrrad herum und fuhr auf uns los, die Augen verborgen hinter den Gläsern und die Reitpeitsche schwingend, um meinen nackten Rücken damit zu treffen. Die todesmutigen Bisse des Bären kosteten sie immer wieder einen Arm oder ein Bein, die aber im Nu wieder nachwuchsen oder, besser, an den Körper zurückflogen und ihre Kampfkraft wiederherstellten. Trotzdem gelang es ihr, die Peitsche ganz frei zu bewegen. Auch der Bär verhinderte das nicht, er biß sie an Stellen, die weit von der Peitsche entfernt lagen, und sie wehrte sich nicht dagegen, sondern ließ es sich gefallen, denn ihr Interesse war meine Züchtigung, gegen die nichts auszurichten war. Als sie sich schließlich aufs Fahrrad setzte, um wieder zurück in ihre Garage zu fahren, lief zwar eine kleine Blutspur hinter ihr her, es war jedoch kein Klagelaut zu hören. Ich aber war todesmatt und reglos in den rot gefärbten Blütenblättern und empfand es nur noch von fern, daß der Bär mich auf seine Arme nahm und seine ernste Aufgabe nun ausführte. Er trug meinen kleinen schwachen Körper auf das Dach des

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