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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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gegen das er sich aber nicht einmal in seinem Innern zur Wehr setzte. Er dachte einen einzigen Satz, den er beständig wiederholte und der ihm vorkam, als habe er sein Leben lang auf ihn gewartet: Alle werden es erfahren, alle wissen es.
    Es war ihm, als führe er einen Befehl von Aimée aus, als er |498| sich schließlich erhob und zu Ines sagte, mit der Abreise sei noch viel vorzubereiten, sie solle Florence, wenn sie komme, zu ihm ins Hotel schicken. Aimée blieb sitzen, als Stephan mit willenlosen Schritten aus dem Zimmer tappte; er hatte den Kopf demütig gesenkt, er wagte nicht, sich umzusehen, als ob er durch ein freies Umherschweifen der Augen den allgemeinen Zorn gegen sich zum Ausbruch brächte.
    Ines bemerkte jetzt, daß eine Spannung im Raum war, und sah unruhig zwischen Stephan und Aimée hin und her, schwieg aber, bis Stephan draußen war, denn sie fürchtete Szenen.
    »Sag mal«, fragte sie dann vorsichtig die vor sich hinsinnende Aimée, »war da mal was zwischen euch? Ich meine, habt ihr ...?«
    Aimée wachte aus ihren Träumen auf, räkelte sich in ihrem Pelz, machte kleine Augen und sagte: »Weißt du, Stephan Korn ist wie ein Schnupfen. Man hat ihn, und eines Tages ist man ihn wieder los.«
    Weil Stephan von seiner Mutter ein Talent zum »kleinen Glück« geerbt hatte, schlug es ihm nun zum Guten aus, daß er seine Koffer noch nicht gepackt hatte. Wie bei Florence ergab sich für ihn die reine Organisation des Lebens gewöhnlich mühelos. Wenn Stephan sich versehentlich doppelt verabredet hatte, wurde eine der beiden Personen ganz gewiß krank, wenn er zu spät zum Flughafen kam, hatte das Flugzeug ebenfalls Verspätung, und wenn ihm eine Frau die Freundschaft aufkündigte, hatte er am Tag davor schon eine andere kennengelernt. So mußte er auch jetzt Florence keine langen Erklärungen abgeben, als er sie auf der Treppe traf. Und als sie hörte, daß er noch zu packen habe, machte sie ihm nicht den kleinsten Vorwurf, sondern entschied schnell, daß sie unter diesen Umständen auf jeden weiteren Besuch verzichte, um ihm zu helfen. Mit meinen Eltern und mit Ines konnte sie ebensogut auch telephonieren. Sie ahnte sofort, als sie ihn sah, daß etwas vorgefallen war, das ihn erschüttert haben mußte. Sie war sich nur nicht darüber klar, ob dies ihr unbekannte Ereignis der Abreise förderlich sein werde, und nahm sich vor, Stephan bis zum Flughafen nicht mehr aus den Augen zu lassen.
    |499| Niemals war sie einfühlsamer, als wenn sie ahnte, daß sie in bezug auf Stephan wachsam sein mußte. Stephan sah sie dankbar an, während sie im Auto fuhren und Florence sich mit selbstverleugnender Disziplin jeder Frage enthielt. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, aber sie war niemals ein Backfisch gewesen, der unvorsichtig von der Erfüllung seiner Träume schwärmt. Alles würde sich aufklären, wenn Stephan erst wieder zu Hause war. Vielleicht wäre eine Erklärung aber auch gar nicht nötig. Es gab Situationen im Leben, die sich von selbst erledigten, weil man lange genug darüber geschwiegen hatte. Florence fühlte große Schweigenskräfte in sich, genug, um Stephan ein für allemal gewachsen zu sein, wenn Tiroler einmal nicht mehr da wäre. Sehr behutsam legte sie ihre magere, energische Hand auf die von Stephan, die neben ihr auf dem Polster lag. Sie hielt den Atem an, studierte angelegentlich die Straßenschilder, die draußen vorbeisausten, und wartete. Tatsächlich geschah nichts, Stephan zog seine Hand nicht weg, in der Kurve sank er sogar ganz leicht auf ihren Arm, immer noch nach vorn starrend, in der Sphäre seiner Träume aber längst vertrauensvoll ihrem Schutz ergeben.
    Wir hörten niemals mehr etwas von Stephan, worüber meine Eltern sich nicht wunderten. Sie selbst schrieben keine Briefe und betrachteten Bekanntschaften gern unter dem Aspekt des Zufalls. Nicht einmal die späte telephonische Absage aus dem Hotel beunruhigte sie besonders, im Gegenteil, meine Eltern waren sogar erleichtert, denn sie enthob sie der Sorge, was man bei der Mahlzeit mit meiner Tante hätte anstellen sollen.
    Der Monsignore, der zum Essen erschien, war kein so heikler Gast wie Florence. Im übrigen war er eingeweiht, und außerdem verpflichtete ihn sein geistlicher Stand ohnehin zur Nachsicht gegenüber den Armen im Geiste. Er war aufgekratzt, als er eintraf, verbarg seine Enttäuschung, Florence, von der er so viel gehört hatte, nun doch nicht kennenzulernen, mit der verständnisinnigen Bemerkung, wer eine so weite

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