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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Sie
strampelt mit den Füßen und versucht, sich in der Wand zu
verkriechen, während sie mit schreckerfüllten Augen zu ihm
aufschaut. Einen Moment ist sie überzeugt, daß er sie diesmal umbringen wird, ihr nicht nur wehtun oder ihr das Baby
nehmen, das sie sich so lange gewünscht hat, sondern sie
richtig umbringen wird. Es hat etwas Unmenschliches an
sich, wie er mit gesenktem Kopf, an den Seiten hängenden
Händen und schwellenden Oberschenkelmuskeln auf sie
zukommt. Bevor man Leute wie ihren Mann Schmier nannte,
gab es einen anderen Ausdruck dafür, und dieser Ausdruck
kommt ihr jetzt in den Sinn, als sie ihn mit dem gesenkten
Kopf und Händen, die wie Pendel aus Fleisch an den Armen
baumeln, das Zimmer durchqueren sieht, denn genau so
sieht er aus - wie ein Bulle.
    Sie stöhnt, schüttelt den Kopf, strampelt mit den Füßen.
Ein Schuh gleitet von ihrem Fuß und bleibt auf der Seite lie gen. Sie kann frische Schmerzen spüren, Krämpfe bohren
sich in ihren Unterleib wie Anker mit alten, rostigen Widerhaken, und sie spürt mehr Blut fließen, kann aber nicht aufhören zu strampeln. Wenn er so ist, kann sie gar nichts in ihm
sehen; nur eine Art schrecklicher Leere.
    Er steht über ihr und schüttelt resigniert den Kopf. Dann
geht er in die Hocke und schiebt die Arme unter sie. »Ich
werde dir nicht weh tun«, sagt er, während er niederkniet,
damit er sie ganz hochheben kann, »also sei keine Memme.«
    »Ich blute«, flüstert sie und erinnert sich, daß er der Person
am Telefon gesagt hat, er würde sie nicht bewegen, selbstverständlich würde er das nicht tun.
    »Ja, ich weiß«, antwortet er, aber ohne Interesse, geschweige denn Mitgefühl. Er sieht sich in dem Zimmer um
und versucht zu entscheiden, wo der Unfall passiert ist - sie
weiß so sicher, was er denkt, als wäre sie in seinem Kopf.
»Macht nichts, es wird aufhören. Sie werden die Blutung
stoppen.«
    Werden sie auch die Fehlgeburt stoppen können? schreit sie in
ihrem eigenen Kopf, ohne daran zu denken, daß er es auch
kann, wenn sie es kann, oder auf die argwöhnische Weise zu
achten, wie er sie ansieht. Und wieder läßt sie sich selbst
nicht hören, was sie noch denkt: Ich hasse dich. Hasse dich.
    Er trägt sie durch das Zimmer zur Treppe. Er kniet nieder
und legt sie am Fuß der Treppe hin.
»Bequem?« fragt er fürsorglich.
Sie macht die Augen zu. Sie kann ihn nicht mehr ansehen,
nicht jetzt. Sie glaubt, daß sie verrückt wird, wenn sie es tut.
»Gut«, sagt er, als hätte sie geantwortet, und als sie die
Augen aufschlägt, sieht sie den Ausdruck, den er manchmal
annimmt - diese Leere. Als wäre sein Geist weggeflogen und
hätte nur den Körper zurückgelassen.
Wenn ich ein Messer hätte, könnte ich ihn erstechen, denkt
sie … aber wieder ist es ein Gedanke, den sie sich nicht einmal selbst hören, geschweige denn ernsthaft in Erwägung
ziehen läßt. Er ist nur ein tiefes Echo, möglicherweise ein
Widerhall des Wahnsinns ihres Mannes, so sanft wie der Flügelschlag von Fledermäusen in einer Höhle.
Mit einem Mal strömt wieder Leben in sein Gesicht, und er
steht mit knackenden Knien auf. Er sieht an seinem Hemd
hinab und vergewissert sich, daß kein Blut daran ist. Prima.
Er sieht in die Ecke, wo sie zusammengebrochen ist. Da ist Blut, ein paar Tropfen und Spritzer. Mehr Blut fließt aus ihr,
schneller und heftiger; sie kann spüren, wie es sie mit einer
ungesunden, irgendwie begierigen Wärme tränkt. Es ist ein
Sturzbach, als hätte das Blut den Fremdling schon die ganze
Zeit aus seiner winzigen Wohnstatt spülen wollen. Fast
kommt es ihr vor - oh, was für ein schrecklicher Gedanke -,
als hätte sich ihr eigenes Blut auf die Seite ihres Mannes
gestellt… welche Seite das auch immer sein mag.
Er geht wieder in die Küche und bleibt etwa fünf Minuten
dort. Sie kann hören, wie er sich zu schaffen macht, während
die eigentliche Fehlgeburt stattfindet und die Schmerzen
ihren Höhepunkt erreichen und mit einem flüssigen Schwall
wieder abklingen, den sie so sehr spürt wie hört. Plötzlich ist
ihr, als säße sie in einem Sitzbad voll warmer, dicklicher Flüssigkeit. Einer Art Blutsoße.
Sein in die Länge gezogener Schatten tanzt in dem Durchgang, als der Kühlschrank geöffnet und wieder geschlossen
wird, und dann wird ein Schränkchen (das leise Quietschen
verrät ihr, daß es das unter der Spüle ist) auf- und wieder
zugemacht. Wasser läuft in das Spülbecken, und dann fängt
er, kaum vorstellbar, etwas zu summen an - sie glaubt,

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