Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
sparten auf ein neues Auto. Und sie hatte keine Lust, dereinst mit Wolfgang auf dem Campingplatz zu nächtigen, nur, weil sie sich nicht beherrschen konnte.
»Siebzig Franken, die Damen«, rief der Taxifahrer ungeduldig.
Sie legten zusammen, nahmen ihr Gepäck und stapften in die Lobby. Alles hier war überirdisch elegant. Dicke, dezent gemusterte Teppiche lagen auf dem weißen Marmorboden. Überall standen Palmen in silbernen Kübeln, zartgrüne, weiche Couchen luden zum Verweilen ein. An einem weißen Flügel saß ein Pianist und klimperte Wohlfühlmusik.
Niki fühlte sich völlig fehl am Platz. Diese Welt kannte sie nicht. Wenn sie überhaupt mal mit Wolfgang verreiste,logierten sie in preiswerten Mittelklassehotels, wo sie nicht weiter auffielen. Dies hier war eine glänzende Bühne, auf der Niki nicht mal als Statistin vorgesehen war. Unsicher ging sie hinter Walburga her, die den Empfangstresen ansteuerte. Die jungen Mädchen dahinter trugen bunte Dirndl und waren so gut trainiert, dass sie noch nicht einmal aufhörten zu lächeln, als Walburga ihre Plastiktüte auf den Tresen knallte.
»’n Aaabend. Na, alles frisch in der Bluse?«
»Grüezi miteinand’«, erwiderte eine magere Rothaarige, in deren knochigem Dekolleté eine Edelweißkette baumelte. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise.«
»Nee.« Walburga kratzte sich ungeniert am Kopf. »Flieger verspätet, nur ein paar eklige Chips in der Holzklasse, runde Füße vom Druckabfall in der Kabine. Walburga Maletzke. Und? Bekomme ich wieder mein Zimmer mit Seeblick?«
Das Mädchen klickte in ihrem Computer herum. »Wir sind leider ziemlich ausgebucht. Zum See hin ist nur noch ein Doppelzimmer frei. Ich kann Ihnen ein Einzelzimmer zum Hof anbieten.«
»Damit ich eine fette Depression kriege?« Walburga stampfte mit dem Fuß auf. »Einzelzelle zum Hof, ohne Sonne, ohne Spaßfaktor? Kommt nicht in den Sack.« Sie warf einen schnellen Blick auf Niki. »Was ist mit ihr? Kriegt sie auch so eine miese Besenkammer?«
Das Lächeln des Mädchens gefror. »Wir verfügen ausnahmslos über sehr hübsche Zimmer.«
»Hübsch ist was anderes«, schnaubte Walburga. »Pass malauf, du kleiner Mistkäfer, wir zwei Grazien nehmen das Doppelzimmer, und aus die Maus.«
Niki hatte der Unterhaltung mit wachsender Panik zugehört. »Wir?«, stieß sie hervor. »Es gibt kein Wir. Lieber nehme ich eine Wäschekammer im Keller, als mit der da ein Zimmer zu teilen.«
Walburga zwinkerte der Tresenkraft zu. »Ist ’ne total verpeilte Torte. Na, schön. Sie halten uns das Doppelzimmer noch ein paar Tage frei, ja? Falls Prinzessin es sich anders überlegt.«
Da kannst du lange warten, dachte Niki. Sie reichte dem Mädchen ihre Kreditkarte. »Ich würde den Rest gern sofort bezahlen.«
Weil ich nicht weiß, wann Wolfgang die Kreditkarte sperrt, fügte sie in Gedanken hinzu. Er wird vor Wut in den Schreibtisch beißen, wenn er merkt, dass sein Hochzeitstagsgeschenk den Wert eines funkelnagelneuen Autos erreicht hat.
»Selbstverständlich.« Das Mädchen angelte sich die Kreditkarte und zog sie durch die Maschine. »Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Aufenthalt, Frau Michels.«
Während Niki die Quittung unterschrieb, schob ihr die Angestellte eine Plastikhülle mit eng bedruckten Zetteln über den Tresen.
»Ihr Anwendungsplan. Bitte melden Sie sich morgen früh um viertel nach sieben bei Herrn Doktor Mannheimer zur Anfangsuntersuchung. Nüchtern.«
Doktor Mannheimer? War das nicht der gefährliche Finsterling?Walburga verzog höhnisch den Mund. Aber Niki hatte zu viel Stolz, um nach der netten Ärztin zu fragen. Sie nahm die Schlüsselkarte in Empfang, schnappte sich ihren Koffer und floh, bevor Walburga ihr einen frechen Spruch hinterherschicken konnte.
Als Niki ihr Zimmer gefunden hatte, sank ihr ohnehin niedriger Wohlfühlpegel unter null. So beeindruckend das Hotel auch von außen wirkte, dieses enge Gelass war eine einzige Frechheit. Ein Bett, ein Sessel, ein Beistelltisch und ein Kleiderschrank verteilten sich auf geschätzte zwölf Quadratmeter. Da halfen auch die hellgrünen Seidentapeten und der kostbare Kronleuchter nichts. Das Badezimmer war eng wie eine Telefonzelle. Selbst lebenslänglich verurteilte Raubmörder hatten mehr Platz als ein Vitalis-Gast, dem das nötige Kleingeld für eine Suite fehlte.
Sie holte zwei gerahmte Fotos aus dem Koffer und stellte sie auf das Tischchen. Auf einem lächelte ihr Wolfgang entgegen, auf dem anderen ihre Tochter
Weitere Kostenlose Bücher