Das Blut der Rhu'u
adoptiert wurde? Und dass ich kein normaler Mensch wäre? Und was hast du vorhin mit mir gemacht? Ich hatte das Gefühl, als wenn du ...« Sie schüttelte den Kopf. »Rede!«
Das Pfeifen des Teekessels gab ihm eine Galgenfrist. Aber sie hatte nicht vor, ihn vom Haken zu lassen. Als sie mit der Teekanne und zwei Bechern ins Wohnzimmer zurückkehrte und ihnen beiden Tee eingeschenkt hatte, sah sie ihn auffordernd an. »Ich höre.«
Er schüttelte den Kopf. »Die Kanes sind mit einer besonderen Wahrnehmung gesegnet. Auch auf die Gefahr hin, dass du mir das nicht glaubst, aber die Anderswelt der Mythen ist real. Und ihre Geschöpfe existieren ebenso. Die Legenden von den Wechselbälgern, die anstelle von Menschenkindern in die Wiege gelegt werden, haben einen realen Ursprung.«
Kara musste lachen. »Du glaubst, ich bin ein Wechselbalg?« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Ernst.«
Er lachte nicht, sondern sah sie unbewegt an. »Wie ich schon sagte, sind die Mitglieder meiner Familie väterlicherseits mit der besonderen Wahrnehmung gesegnet, die es uns ermöglicht, diese Wesen zu erkennen. Wir sind aber nicht die Einzigen. Nur im Gegensatz zu uns, die wir auf dem Standpunkt stehen, dass man leben und leben lassen sollte, sind andere der Überzeugung, dass man jedes dieser Wesen töten sollte, weil sie eben keine Menschen sind.«
Sie starrte ihn an. Was er sagte, war in der Tat verrückt. Aber es passte zu dem, was sie in den letzten Tagen und besonders vorhin erlebt hatte. Und doch konnte das nicht sein – wollte sie das nicht wahrhaben.
Jarod beugte sich vor und legte seine Hand über ihre. »Du willst wissen, was ich vorhin mit dir gemacht habe. Ich habe diese besondere Art zu sehen angewendet, um zu prüfen, ob du tatsächlich eine von den Anderen bist.«
»Und?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich konnte es nicht eindeutig erkennen, weshalb ich vermute, dass ich mich entweder geirrt habe; was sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist. Oder du bist zur Hälfte eine von ihnen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das müsste ich doch wissen. Ich bin achtundzwanzig, da hätte ich doch irgendwann schon mal was Ungewöhnliches bemerken müssen.«
»Nicht unbedingt.« Seine Hand lag immer noch auf ihrer. »Wenn die Legenden stimmen, reagiert gemischtes Blut nicht so wie reines.« Er streichelte ihre Hand. »Ich will dich nicht erschrecken, Kara. Am besten fragst du deine Mutter, ob es vor, nach oder während deiner Geburt einen ungewöhnlichen Vorfall gegeben hat. Vielleicht hat sie deinen Vater betrogen, ohne zu wissen, dass ihr One-Night-Stand einer von den Anderen in Menschengestalt war.« Er zog seine Hand zurück. »Ich weiß, das klingt verrückt. So verrückt wie glühende Dolche und flammende Hände.«
Sie zuckte zusammen. »Das war real?« Verdammt, das war ihr ungewollt entschlüpft.
Er wiegte den Kopf. »Falls es nicht real war, dann hatten wir beide offensichtlich dieselbe Halluzination.« Er nickte ihr zu. »Sprich mit deiner Mutter. Sie muss etwas wissen. Vielleicht hat sie versucht, ungewöhnliche Ereignisse rational zu erklären. Aber irgendwas ist ihr garantiert aufgefallen. Vielleicht, dass du nie krank warst oder dass Wunden bei dir unglaublich schnell heilen. Oder dass die Schwangerschaft ungewöhnlich verlief. Dass du zu früh geboren wurdest, aber trotzdem voll entwickelt warst. Irgendwas.«
Kara nahm ihre Teetasse und klammerte sich an ihr fest. Sie war tatsächlich nie krank gewesen; zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern. Und wenn sie sich mal verletzt hatte, waren die Wunden ungewöhnlich schnell geheilt. Oh Gott! Was wäre, wenn Jarod recht hätte? Es klang unglaublich, aber was er beschrieb, passte. Nur allzu gut. Sie schüttelte den Kopf.
Jarod ließ die Sache zum Glück auf sich beruhen und sagte nichts mehr. Er konzentrierte sich darauf, seinen Tee zu trinken, und hing mit halb geschlossenen Augen seinen Gedanken nach. Kara tat es ihm nach. Doch die erhoffte beruhigende Wirkung des Tees stellte sich nicht ein. Nicht einmal, nachdem die Kanne leer war.
Jarod wehrte ab, als sie ihm die Couch mit Bettzeug beziehen wollte.
»Eine einfache Decke genügt mir«, sagte er. »Und danach komme ich schon allein zurecht.«
Sie zeigte ihm das Bad und legte ihm Handtücher heraus, auch einen Männerbademantel. Anschließend ging sie ins Bad, um sich für die Nacht zurechtzumachen. Als sie herauskam, stand Jarod am Fenster und blickte wachsam auf die Straße vor dem Haus.
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