Das Blut Des Daemons
Sekunden einfach angestarrt hatte.
Ich schob das Kinn vor und gab seinen Blick kalt zurück. Zwei Mädchen verteilten quietschbunte Flyer und eine davon drückte auch Beth einen in die Hand.
»Auch wenn’s dich eigentlich nichts angeht: Er ist zu Hause. Krank.« Ich hatte heute Morgen brav seine – gefälschte – Krankmeldung bei Mrs Nienhaus im Sekretariat abgegeben. Eine Gruppe Juniors drängte sich schnatternd und kichernd an uns vorbei zum Getränkeautomaten. Tyler und Mike wichen ihnen mit einem unwilligen »He!« aus. Susan bekam einen Stoß, schimpfte »Passt doch auf!« und machte einen Schritt in Beths Richtung.
»Krank?« Neal schnaubte. »Was hat er, die Beulenpest? – Ich meine, schau dich an, du siehst aus wie eine aufgewärmte Leiche.« Danke auch, Neal.
Susan holte neben mir Luft, die hellbraunen Augen wütend zusammengekniffen. Beth zischte etwas. Hatte sie ihn gerade tatsächlich »Idiot« genannt?
»Aber du bist hier , und der arme Julien ist so krank, dass er zu Hause bleiben muss?« Er musste das Weichei nicht aussprechen, sein Tonfall schrie es regelrecht heraus.
Ich biss die Zähne zusammen. »Was willst du, Neal?« Das Brennen in meinem Magen verstärkte sich wieder und holteauch das Zittern in meine Glieder zurück. Plötzlich standen sie alle viel zu dicht um mich herum. Ich wich ein kleines Stück zurück in der Hoffnung, dass es ihnen nicht auffallen würde. Beth räusperte sich mahnend, und ich setzte ein weiteres Mal die Dose an den Mund. Mein Nippen war nicht mehr als ein Befeuchten der Lippen.
»Ich soll ihm was vom Coach ausrichten: Er hat ihn für den Vorentscheid im County-Schulturnier gegen die Stearns High, die Penobscot Valley, die Orono und die Kathadin in vier Wochen aufgestellt – zusammen mit mir, Tyler und Paul. Ab Montag haben wir dreimal die Woche Training. – Sag ihm das.«
Ich grub mir selbst die Fingernägel in die Handfläche. Eben deshalb hatte Julien sich bis zu Mr Arrons Erpressung – entweder Beitritt zur Fechtmannschaft und Teilnahme an Wettkämpfen oder Anzeige und Schulverweis – geweigert, bei den Fechtern mitzumachen. Genau das hatte er die ganze Zeit vermeiden wollen. Verdammt. Wie sollte er da nur wieder rauskommen? Oder würde er alles auf eine Karte setzen und den Rauswurf aus der Montgomery riskieren? Der einzige Grund, der ihn hier hielt, war schließlich ich. Und nachdem es diesen Grund in absehbarer Zeit nicht mehr geben würde … was hinderte ihn daran?
»Ich bestell’s ihm. – War’s das?«
Bei meinem bissigen Ton zuckte Neal zusammen. In das Gedrängel hinter mir kam ein bisschen mehr Bewegung. Ein Mädchen quietschte, ein Rucksack stieß mir in die Rippen. Ich verhinderte gerade noch, dass mir der Riemen meiner Tasche von der Schulter rutschte. Einen Moment sah es so aus, als wolle er noch etwas sagen, doch dann zuckten seine Augen zu etwas hinter mir. Auch die Blicke der anderen richteten sich darauf. Beinah in derselben Sekunde legten sich Arme von hinten um mich. Mein Schreck dauerte kaummehr als einen Herzschlag. Es war nicht nötig, dass ich mich umdrehte. Es gab nur eine Person, die mich so festhielt: Julien! Er war wieder da! Erleichtert lehnte ich mich in seine Umarmung. Ich hatte bisher gar nicht gewusst, dass er auch eine helle Wildlederjacke besaß.
»Doch nicht so krank, was, DuCraine?«, spottete Neal und schob ein »Neue Brille?« hinterher, während Susan gleichzeitig irgendwie entsetzt »Was hast du mit deinen Haaren gemacht?« fragte. Ich erstarrte schlagartig. Die Arme legten sich fester um mich, drückten mich enger gegen die Brust in meinem Rücken.
»Was soll Dawn mir sagen?« Juliens Atem streifte meinen Hals. Die falsche Stimme! Nicht dass der Unterschied so eklatant gewesen wäre, dass es den anderen zwingend auffallen musste – mir aber dafür umso mehr. Adrien! Ich drehte mich so weit um, dass ich ihn über die Schulter ansehen konnte.
Tatsächlich! Hätte ich nicht gewusst, woran man die beiden – zumindest im Moment – unterscheiden konnte, hätte ich möglicherweise auch mehr als einen Blick gebraucht: Hinter mir stand nicht mein Freund, sondern sein Zwillingsbruder. Der, für den Julien sich gegenüber seiner eigenen Art ausgab, um – offiziell als mein Leibwächter – hier bei mir in Ashland Falls bleiben zu können. Denn eigentlich war Julien nach Dubai verbannt. Allerdings hatte Adrien inzwischen seinen Platz dort eingenommen.
Doch jetzt war Adrien wieder hier und schlüpfte in die
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