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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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eigene Kundschaft vergraulen.Habt Ihr eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?“
    „Nein, keiner von uns ist in der Nacht aufgewacht. Hast du uns etwas ins Bier getan, damit wir nichts bemerken?“, krittelte der Mann weiter.
    Damit brachte er den Wirt vollends gegen sich auf. „Noch eine solche Verdächtigung und ich werfe dich hinaus! Ich werde die Sache dem Schultheißen von Worms melden. Er wird sich darum kümmern.“
    „Wir verlangen einen Ausgleich für den Schaden!“, forderte ein anderer.
    „Es ist nicht meine Schuld, wenn ein Dieb unter meinem Dach schläft. Jeder ist für sich und sein Gepäck selbst verantwortlich. So lautet die Regel!“, verteidigte der Wirt sich. „Aber um euch meinen guten Willen zu zeigen, bekommt Ihr heute Morgen eine kostenfreie Mahlzeit.“
    Die Bestohlenen nahmen dieses Angebot murrend an, auch wenn sie sich mehr erhofft hatten. Während der Wirt mit der Magd die Morgenmahlzeit zubereitete, gingen die Gäste nach oben und packten ihre Sachen zusammen. Nachdem sie sich wieder unten eingefunden hatten und wortkarg das Brot und den Käse verspeisten, fiel dem Wirt auf, dass Bruder Anselm fehlte. Der Benediktiner hatte gestern als Erster müde und völlig durchnässt an seine Tür geklopft. Arm wie eine Kirchenmaus hatte er vor ihm gestanden und um ein Quartier gebeten. „Mein Weg führt mich nach Mainz. Eigentlich wollte ich es heute bis ins nächste Kloster nach Worms schaffen, aber das Wetter ist schlecht, die Wege sind aufgeweicht und ich bin erschöpft. Hast du eine günstige Übernachtungsmöglichkeit für mich?“
    „Selbstverständlich. Du bist für heute sogar mein erster Gast.“
    Da seine Herberge an einer Straße lag, die gern vonWallfahrern genommen wurde, wenn sie nach Rom oder gar ins Heilige Land pilgerten, war der Wirt auf deren unterschiedliche Bedürfnisse eingestellt. Neben einem großen Schlafsaal für die weniger gut Betuchten gab es noch kleinere Kammern, in denen die Bessergestellten schliefen. Er bot auch Pilgermahlzeiten an, deren Üppigkeit sich ebenfalls nach dem Inhalt der Geldbeutel richtete. Bei Anselms Anblick wusste er sofort, wo er ihn einzuordnen hatte. Üblicherweise gewährte er keine freie Kost und erst recht keine Übernachtung. Geldklamme Gäste ließ er manchmal in einem Anflug von Milde im Stall nächtigen und auch dann mussten sie seinem Burschen noch bei der Versorgung der untergestellten Pferde zur Hand gehen.
    Doch bei Bruder Anselm machte er eine Ausnahme. „Geld hast du wahrscheinlich keines?“
    Der Mönch hatte beschämt zu Boden geblickt. „Praktisch nichts.“
    „Kannst du schreiben?“
    „Sicher.“
    „Ich bin kein barmherziger Samariter und wie jeder redliche Mann auf mein Einkommen angewiesen. Du kannst dir aber die Übernachtung und das Essen verdienen, indem du für mich einen Brief schreibst.“
    „Wenn wir uns so einig werden, soll‘s mir recht sein“, hatte der Gottesmann erleichtert entgegnet. „Ich heiße Anselm und komme geradewegs aus Rom. Jetzt bin ich auf dem Rückweg nach Mainz“, fuhr er fort und berichtete dann übergangslos von seiner Pilgerreise in die Heilige Stadt.
    Den Wirt interessierten seine Ausführungen nicht sonderlich, denn er bekam ständig Pilgergeschichten zu hören. Viele kehrten aus Jerusalem zurück und schwärmten begeistert von dem fernen Land mit seinem exotischenMenschenschlag und dem fremdartig anmutenden Baustil. Dagegen erschien Anselms Reise wenig abenteuerlich.
    Der Wirt suchte Tinte, Pergament und Kiel zusammen und unterbrach schließlich den Redefluss des Gottesmannes. „Noch haben wir etwas Ruhe, aber bald wird sich die Herberge füllen. Lass uns gleich mit dem Brief beginnen. Setz dich an den Tisch dort drüben. Da ist das Licht am besten. Ich sag dir, was du schreiben sollst. Danach bekommst du eine sättigende Brotsuppe und einen Krug Bier.“
    Anselm nahm Platz und notierte, was ihm der Wirt diktierte. Seine Hand war nicht mehr so ruhig wie in jungen Jahren und seine Augen waren auch nicht mehr die besten, sodass ihm das Schreiben schwerer von der Hand ging. Aber das störte seinen Auftraggeber nicht.
    „Willst du deinen Namen daruntersetzen?“, fragte Anselm, nachdem er fertig war.
    „Mach du das“, meinte er nur und nannte ihn dem Mönch.
    Dann packte er alles zusammen und ließ Anselm die Mahlzeit bringen, die dieser bedächtig verspeiste. Währenddessen füllte sich der Raum und der Wirt schenkte seine ganze Aufmerksamkeit ab jetzt den Neuankömmlingen.

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