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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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zugesteht, einfach kraft seines Amtes zu entscheiden, was in der Kirche als wahr zu gelten habe. Fiele diese Entscheidungsbefugnis weg – die katholische Kirche zersplitterte in kürzester Zeit, wie die weltprotestantische Chaostruppe, in tausend Untergruppen. Wobei die Protestanten trotzdem recht haben, wenn sie sagen, ein einzelner Mensch könne unmöglich dekretieren, was als Wahrheit zu gelten habe, und sei er auch der Papst.
    Es ist nur zu verständlich, dass die Kirchenoberen angesichts dieser Schwierigkeiten den Geist des Christentums einfach in eine große Flasche sperren, diese in einen Panzerschrank einschließen und sagen: Da drin steckt unser Schatz, unser Glaube, unsere Wahrheit. Das Problem ist nur: Geld, das im Tresor liegt, arbeitet nicht. So ein weggeschlossenes Vermögen vermag nichts. Daher hinterlassen die Kirchen kaum noch Spuren in der Welt von heute. Darum leiden sie auch unter Profilneurose. Auf allen Pfarrkonferenzen und Mitarbeitertagungen der EKD geht es seit einigen Jahren immer wieder um «die Marke evangelisch», «das unverwechselbare Profil» – aber wer in einen abgefahrenen Reifen ein Profil zu ritzen versuchte, ließe nur die Luft aus ihm heraus, abgesehen davon, dass sich die Individualisten in der EKD sowieso nie auf ein gemeinsames, wirklich scharfes Profil werden einigen können.
    Die immer weiter sich auffächernde Meinungsvielfalt innerhalb der Kirchen scheint deren unaufhaltsames, unabänderliches Schicksal zu sein, und die Kirchen scheinen sich damit abgefunden zu haben, denn nicht mehr mit ihrer Wahrheit begründen sie die Notwendigkeit ihrer Existenz, sondern mit ihrer Nützlichkeit. Sie verweisen auf die Caritas und die Diakonie, die doch so viel Gutes bewirken, sich das aber hauptsächlich vom Staat und den Sozialkassen bezahlen lassen – die Kirchen tragen 1,8 Prozent der Gesamtkosten bei.  31
    Sie verweisen auf ihre Funktion als Hüter der Menschenwürde, Anwalt der Armen und Wächter über die Einhaltung ethischer Mindeststandards. Aber diese Funktion erfüllen die Verfassungsgerichte wirksamer, und eine freie Presse ist auch noch da.
    Sie fühlen sich wichtig in Ethikkommissionen, allen möglichen Gremien und als Berater von Politik und Wirtschaft. Aber es ginge auch ohne die Kirchenfunktionäre; das Volk interessiert sich ohnehin nicht besonders für ihre Arbeit. Das Volk hat sich schon lange abgewandt.
    Diese Abwendung macht sich nun seit einiger Zeit auch dort bemerkbar, wo es die Funktionäre am meisten schmerzt: in der Kasse. Die Kämmerer erschrecken mit apokalyptischen Prognosen ihre Bischöfe, und diese vergessen alles, was sie je von der Kanzel gepredigt haben – was sorgt ihr euch um den nächsten Tag, siehe die Vögel unter dem Himmel, sie säen nicht, sie ernten nicht, und ihr himmlischer Vater ernährt sie doch ( Matthäus 6, 26) –, hoffen weder auf Manna noch erwarten sie, dass Wachteln vom Himmel fallen, sondern wenden sich rat- und hilfesuchend an die angeblichen Spezialisten des Überlebens, an McKinsey, die missionarischen Hohepriester des Glaubens an Markt und Technik.
    Und diese helfen gerne, wenn auch nicht für Gotteslohn. Als Erstes verordnen die Missionare von der anderen Religion den Bischöfen eine «Konzentration aufs Kerngeschäft»: die Sorge um das individuelle Seelenheil. Schluss mit der Verzettelung. Beschränkung auf Seelsorge, Gottesdienst, Taufe, Abendmahl, Hochzeits- und Trauerfeier. Das aber müsse möglichst professionell gehandhabt werden, solle an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiert sein, die es empirisch zu erforschen gelte.
    Da der Rat der Berater teuer ist, glauben die Bischöfe, dass er auch gut sein müsse, und so öffnen sie sich gläubig der Botschaft, alles sei Markt, auch das Religionsbusiness, und in diesem Geschäft gelte es, um die Sinn und Orientierung suchende Kundschaft mit anderen Sinnanbietern zu konkurrieren und sich wettbewerbsfähig zu machen. «Lernen von der Weisheit der Welt» nennen die Seelenhirten das. Dieser Weisheit trauen sie heute mehr als der Torheit des Kreuzes (1 Korinther 1, 23).
    Sie probieren es jetzt tatsächlich mit Marketing, meinen ernsthaft, ihre in Jahrhunderten verspielte Glaubwürdigkeit lasse sich mit Werbung, PR, Events und Imagekampagnen im Instantverfahren zurückgewinnen. Ohne rot zu werden, definieren sie die Botschaft vom Kreuz als ein Produkt, das es zu verkaufen gilt. Allen Ernstes betrachten sie sich als ein Unternehmen auf dem Sinnstiftungsmarkt,

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