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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Ratzinger recht. Religiös sein nach der Aufklärung ist etwas anderes, als es davor gewesen ist.
    Dass gegenwärtig Millionen von Menschen wieder hinter die Aufklärung zurückfallen, indem sie sich Horoskope mit Hilfe des Computers erstellen lassen, zur Wahrsagerin rennen, an die magische Kraft von Edelsteinen glauben und ihre Buchregale mit Esoterikliteratur füllen, widerlegt die intellektuelle Forderung nach aufgeklärter Religiosität nicht. Wir leben in einer postmodernen Anything-goes-Gesellschaft. Da kann jeder jeden Mumpitz mitmachen, nur eines geht nicht: zu verlangen, von einem aufgeklärten Bewusstsein ernst genommen zu werden.
    Glaube, der im 21. Jahrhundert ernst genommen werden will, muss aufgeklärter Glaube sein. Dieser negiert Esoterik, Aberglauben, Sektiererei und das meiste dessen, woran Menschen vor der Aufklärung geglaubt hatten. Aber auch das, wofür der Papst steht, scheint von einem aufgeklärten Glauben negiert werden zu müssen, denn als Aufgeklärter kann man nicht mehr ernsthaft auf den Absolutheitsanspruch einer Religion pochen, in die man zufällig hineingeboren wurde. Als Aufgeklärter kann man, so scheint es, die Weltreligionen günstigstenfalls noch als Gebilde betrachten, die aus verschiedenen Blickwinkeln auf eine für den Menschen undurchschaubare Weise Anteil an einer Wahrheit haben, die das menschliche Erkenntnisvermögen übersteigt.
    Wenn das so ist, dann wäre es eigentlich nur vernünftig, die Unternehmen Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus, Taoismus und Konfuzianismus von ihrem jeweiligen kulturspezifischen und voraufgeklärten Ballast zu befreien und das, was übrig bleibt, zu einer einzigen neuen Weltreligion zu fusionieren. Dem Frieden in der Welt wäre damit sicher sehr gedient.
    Ratzinger verschwendet an diese Idee keinen Gedanken. Auch die aufklärerische Forderung, das Christentum von seinen historisch gewachsenen Zufälligkeiten zu reinigen und es damit weltkompatibel zur Aufklärung und zu den anderen Religionen zu machen, ignoriert er, und zwar nicht aus Schwäche, sondern aus Stärke.
    Vor dieser Stärke sind die aufgeklärten Relativisten blind. Sie verkennen, dass für den Papst, wie für jeden Glaubenden, die Pointe seines Glaubens gerade in dem liegt, was ihn von anderen Glaubensvorstellungen unterscheidet. Das eigentlich Spannende steckt nicht in dem Teil, der allen Religionen gemein ist, sondern in dem, den jede Religion exklusiv hat. In jenen Unterschieden, in denen das aufgeklärte Bewusstsein nur noch historisch bedingte Zufälligkeiten und damit überflüssigen Ballast zu erkennen glaubt, steckt für den Christen jene Wahrheit, um deretwillen er weiterhin Christ bleibt. Nicht das, was ihn mit den anderen Religionen verbindet, macht ihn zum Glaubenden, sondern das unterscheidend Christliche macht es.
    Das Spannende am Christentum ist daher gerade jene Wahrheit, über die der wirklich gläubige Christ insgeheim denkt: Wäre ich in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen und hätte von Anfang an die Chance gehabt, mich mit der christlichen Lehre genauso vertraut zu machen wie mit der vorherrschenden Lehre meines Kulturkreises, hätte ich also eine Wahl gehabt – ich bin überzeugt, mich auch im fremden Kulturkreis für die Wahrheit des Christentums entschieden zu haben.
    Dieses unterscheidend Christliche steckt sogar in dem oben formulierten Minimalprogramm christlicher Essentials: Glaube, Umkehr, Buße, Erbsünde, Reich Gottes, Leib Christi, die klassenlose Gesellschaft, es darf keine Armen geben. Machen wir doch endlich Ernst damit. Alles Weitere wird sich finden.

VOLK GOTTES ODER PRIVATER SELIGMACHVEREIN? WIDER DIE MCKINSEYISIERUNG DER KIRCHE
    Glaube, Umkehr, Buße, Reich Gottes, Leib Christi, die klassenlose Gesellschaft, es darf keinen Armen geben – wer diese christliche Wahrheit dort sucht, wo sie zu finden sein müsste, also in der Kirche, findet etwas ganz anderes: das geschäftige Treiben eines gigantischen Apparats, der täglich Millionen von Menschen auf Trab hält, Milliardensummen bewegt und am Ende des Tages ein Ergebnis abliefert, das hauptsächlich aus einem Haufen Papier besteht. Zwischen den Papierbergen sieht man gelegentlich einen Pfarrer zum Krankenbett eines Patienten hetzen, einen anderen bei der Taufe, im Religionsunterricht, beim Altennachmittag, in der Jugendgruppe, in einer Trauung oder am Grab, und natürlich im Gottesdienst, aber der vorherrschende Eindruck ist: Der Hauptzweck dieses Apparats besteht in

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