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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bleiben würde. Es war seltsam,
aber er musste sich eingestehen, dass er den alten Mann gemocht hatte, obwohl er ihn kaum kannte. Der Gedanke an seinen
Tod machte ihn zornig. Abu Dun und er waren Krieger, solange
er sich zurückerinnern konnte. Tod und Töten waren ihr Geschäft. Aber nicht so. Erst jetzt wurde ihm klar, dass das, was er
zu Urd gesagt hatte, aus seiner tiefsten Seele gekommen war. Es
war kein fairer Kampf gewesen, sondern ein heimtückischer,
gemeiner Mord an einem wehrlosen, alten Mann. »Ich wollte,
ich hätte es einen Moment eher gemerkt, und –«
»Das hätte nichts geändert«, unterbrach ihn Björn. »Einer der
Leibwächter meines Vaters hat den Angriff überlebt und davon
erzählt. Sie haben ihn zuerst getötet. Erst danach haben sie die
Wachen angegriffen. Sie konnten nichts tun. Und auch ihr hättet
nichts mehr tun können. Es war zu spät.«
Thure erwachte für einen winzigen Moment aus seiner Starre
und sah seinen Bruder mit gerunzelter Stirn an. Andrej spürte,
dass ihm etwas auf der Zunge lag, doch er sprach es nicht aus,
sondern versank erneut in wortlosem Brüten.
»Doch ich danke euch trotzdem dafür, dass ihr zumindest seine Mörder getötet habt. Ich weiß nicht, ob es uns gelungen wäre.
Und wenn, so hätte es das Leben vieler gekostet.«
Andrej sah ihn fragend an. Björn hatte Abu Dun und ihn nicht
nur hierher befohlen, um ihnen seinen Dank auszusprechen, das
spürte er. Aber es dauerte noch eine geraume Weile, bis der
neue König weitersprach.
»Ihr habt die Schiffe gesehen, die wir vorbereiten?«
Andrej nickte.
»In sieben Tagen, von heute an gerechnet«, fuhr Björn fort,
»werden wir den Leib meines Vaters den Flammen übergeben,
wie es bei uns Sitte ist. Ich schicke die Boote los, um die Herrscher unserer benachbarten Königreiche zu dieser Zeremonie
einzuladen. Auch König Sören wird kommen. Er war ein guter
Freund meines Vaters, und er ist ein treuer Verbündeter unseres
Volkes. Ich weiß, wir haben euch versprochen, dass das Schiff,
das zu ihm fährt, euch mitnimmt, und ihr seid weder uns noch
meinem Vater etwas schuldig, aber –«
»Selbstverständlich bleiben wir zu seiner Bestattung«, sagte
Andrej, als Björn nicht weitersprach, sondern plötzlich die Lippen aufeinanderpresste und mit der unversehrten Hand an seine
Seite griff, um einen jähen Wundschmerz vorzutäuschen, damit
niemand sah, dass er nur mit Mühe die Tränen zurückhielt.
Thure sah seinen Bruder überrascht, vielleicht auch missbilligend, an, schwieg aber weiter. Auch Abu Dun schien von dieser
plötzlichen Schwäche verblüfft zu sein.
»Ich danke dir«, sagte Björn. »Ich hätte es nicht gewagt, euch
darum zu bitten, aber ich bin sicher, dass es meinen Vater freut,
wenn er uns aus Walhalla heraus zusieht.«
»Noch mehr würde es ihn freuen«, sagte Thure dumpf, »wenn
wir –«
»Nicht jetzt!«, unterbrach ihn Björn, leise, aber so scharf, dass
Thure nicht weitersprach, sondern nur die Lippen aufeinanderpresste. Seine Augen blitzten zornig.
»Ich weiß, was du sagen willst, und vielleicht hast du sogar
Recht damit«, fuhr Björn müde fort, »Aber jetzt ist nicht der
Moment dafür.«
»Wann denn sonst?«, wollte Thure wissen. »Sie haben unseren
König erschlagen! Was muss noch geschehen, um dir endlich
die Augen zu öffnen? Sollen sie uns erst alle töten?«
»Halt endlich den Mund, Thure«, mischte sich Urd ein.
»Kannst du von nichts anderem mehr sprechen als von Krieg
und Tod?«
»Solange ich nichts anderes erlebe, nicht«, gab Thure bissig
zurück. Er stützte sich so fest auf die Lehne, dass das Holz
knackte, während er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete.
Damit überragte er Urd um annähernd zwei Haupteslängen, und
sein Gesicht war jetzt nicht mehr leer, sondern eine Grimasse
der Wut. Urd ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Sie
schüttelte nur resigniert den Kopf.
»Wenn du schon nicht auf deine Vernunft hörst und dir auch
die Trauer um unseren Vater gleich zu sein scheint«, seufzte sie,
»dann erinnere dich wenigstens daran, wie man sich in Gegenwart von Gästen benimmt. Es geziemt sich nicht, vor ihnen zu
streiten.«
So wie Thure aussah, dachte Andrej, wäre er gerne noch
weiter gegangen, als sich nur mit seinem Bruder zu streiten. Aber er beherrschte sich, gab nur einen abfälligen Laut von sich
und stampfte dann wütend davon. Diesmal folgte ihm keiner der
Krieger. Björn sah ihm traurig nach.
»Verzeih meinem Bruder,

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