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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seines
Hemdes waren dunkelbraun und hart von eingetrocknetem Blut,
dort wo die Klinge des Daugers ihn verletzt hatte. »Aber es ist
nicht mein Blut.«
Der Zweifel wich nicht aus Urds Blick. Sie hielt seine Hand
eisern mit der Linken fest, befeuchtete den Daumen der anderen
Hand mit der Zunge und rieb anschließend über seine Handfläche. Erstaunt sah sie die vollkommen unversehrte Haut, die unter dem eingetrockneten Blut zum Vorschein kam.
»Ich sagte doch, es ist nicht meins«, sagte Andrej. »Ich hatte
Glück.«
Urd maß ihn mit einem Blick, der ihm das Gefühl gab, etwas
Falsches gesagt zu haben, ließ seine Hand aber los und sah zur
Seite. Lange Zeit lastete eine unangenehme Stille zwischen ichnen, ein Schweigen, das sie plötzlich trennte und zu einer Mauer
werden würde, wenn er es erlauben würde. Er war froh, als es
plötzlich an der Tür klopfte und sie geöffnet wurde, noch bevor
er Einlass gewähren konnte.
Es war Abu Dun. Der Nubier trat nicht ein, sondern blieb mit
der Hand auf dem Türgriff und vorgebeugtem Oberkörper stehen und versuchte so zu tun, als würde er Urds Anwesenheit
nicht bemerken. »Björn möchte mit uns reden. Gleich.«
Andrej deutete ein Nicken an, aber Urd sah mit einem Ruck
auf und wirkte aufgeschreckt. Er stand auf, wobei sich seine
Hand endgültig aus Urds Umklammerung löste. Die Trennung
erlebte er beinahe schmerzhaft und schnell ging er auf den
Nubier zu. Urd erhob sich ebenfalls und folgte ihm. Abu Dun
runzelte die Stirn, und obwohl er nichts sagte, war es ihm
überdeutlich anzumerken, dass ihm das nicht gefiel. Andrej
übersah seine missbilligende Miene und blieb stehen, damit Urd
an seine Seite treten konnte.
Eine sonderbare Stille schien sich über das kleine Dorf gesenkt
zu haben. Noch immer waren Geräusche des alltäglichen Lebens
zu hören – sogar mehr noch als am Morgen – doch sie alle
wirkten gedämpft, zögerlich, als hätte die Welt etwas von ihrer
Lebendigkeit eingebüßt. Überall waren hastende Menschen zu
sehen, die ihren Geschäften nachgingen, doch sie alle bewegten
sich mit gesenkten Blicken und steinernen Mienen. Selbst die
wenigen Kinder, die er sah, tollten nicht so laut und ausgelassen
herum, wie man es hätte erwarten können. Das Schiff, das Abu
Dun und ihn hatte wegbringen sollen, hatte seinen Platz jetzt mit
einem zweiten Drachenboot getauscht. Männer waren damit beschäftigt, es zu beladen, und andere trugen weitere Fässer, Kisten und Säcke herbei, um sie am Ende des hölzernen Steges
aufzustapeln. Andrej runzelte fragend die Stirn, doch Abu Dun
hob nur die Schultern, und Urd tat so, als hätte sie die stille
Frage nicht bemerkt.
Schweigend gingen sie zum Langhaus des toten Königs. Vor
der Tür standen zwei bewaffnete Krieger Wache, die jedoch
wortlos beiseite traten, um sie passieren zu lassen.
Das Innere des Langhauses war jetzt hell erleuchtet. Überall
brannten Fackeln, und man sah auch hier ein emsiges Hantieren
und Arbeiten. Bewaffnete Männern standen einfach nur da und
taten nichts, ein paar – wenige – nickten Abu Dun und ihm grüßend zu, der überwiegende Teil jedoch sah zur Seite, als seien
sie nicht anwesend. Etwas hatte sich geändert in seiner Abwesenheit, begriff Andrej. Jemand hatte ihren König getötet. Und
schlimmer: Ihre Heimat war angegriffen worden. Jemand hatte
sie in ihrem vertrautesten Lebensbereich attackiert. Was erwartete er? Alles hatte sich verändert.
Der neue König und sein Bruder warteten am Kopfende der
großen Tafel auf sie. Björn saß auch jetzt wieder zur Rechten
des hölzernen Thronsessels, obwohl der Platz auf dem Thron
ihm von Rechts wegen zugestanden hätte, und Thure stand hinter ihm, hatte beide Unterarme auf die geschnitzte Rückenlehne
gestützt und starrte scheinbar ins Leere. Sein Gesicht war eine
Maske ohne Ausdruck geworden, doch Andrej spürte, wie es
dahinter arbeitete. Seine schwieligen Hände umklammerten das
geschnitzte Holz mit solcher Kraft, dass er sich nicht gewundert
hätte, wäre es unter dem Druck gesplittert.
»Andrej«, begrüßte ihn Björn. »Abu Dun. Danke, dass ihr
gekommen seid.«
»Es tut mir so leid«, sagte Andrej. Erst, als er die Worte aussprach, begriff er, dass sie wahr waren. Sein Blick streifte die
Rückenlehne des leeren Thrones und blieb für einen winzigen
Moment an den braunrot eingetrockneten Flecken hängen, Haralds Blut, das bisher niemand weggewischt hatte und das wahrscheinlich auch für alle Zeiten

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