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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Arglosigkeit von Tieren; das unerforschte Leben ist am schönsten. Aber dann geht etwas schief und gibt den Anlass zu Nabelschau und Untersuchungen. Die Wurzel allen Bewusstseins.
    »Träumen Sie?« fragte Beck, als sie an einer kleinen, aus verrostetem Blech zusammengeflickten Tankstelle und Autowerkstatt vorüberkamen.
    »Albträume«, sagte Kaye. »Ich glaube, ich stecke zu tief in meiner Arbeit.«
5
    Innsbruck
    Mitch sah, wie die blaue Sonne wanderte und sich verdunkelte. Er dachte, es müsse wohl Nacht sein, aber die Luft war dämmriggrün und überhaupt nicht kalt. Er spürte einen stechenden Schmerz im Oberschenkel und ein allgemeines Unwohlsein im Magen.
    Er war nicht mehr auf dem Berg. Um die klebrige Masse aus den Augen zu bekommen, wollte er nach oben langen und sich über das Gesicht reiben. Eine Hand hinderte ihn daran, und eine leise Frauenstimme sagte auf Deutsch, er solle ein braver Junge sein. Als die Frau ihm mit einem kalten, feuchten Tuch die Stirn abwischte, erklärte sie auf Englisch, er sei ein bisschen mitgenommen, Nase und Finger hätten Erfrierungen, und ein Bein sei gebrochen. Ein paar Minuten später schlief er wieder ein.
    Scheinbar im nächsten Augenblick wachte er auf, und dieses Mal schaffte er es, sich in dem ordentlichen, soliden Krankenhausbett aufzusetzen. Er lag in einem Zimmer mit vier anderen Patienten, zwei neben ihm und zwei gegenüber, alles Männer und alle noch keine vierzig Jahre alt. Bei zweien steckten die gebrochenen Beine in Schlingen wie in einer Comedysendung, die beiden anderen hatten sich den Arm gebrochen. Mitchs Bein war eingegipst, lag aber nicht in einer Schlinge.
    Die Männer waren alle blauäugig und sahen mit ihren dünnen Hälsen und langen Kinnpartien ansehnlich und wie Adler aus. Sie musterten ihn aufmerksam.
    Jetzt konnte Mitch das Zimmer deutlich erkennen: gestrichene Betonwände, weiß emaillierte Bettgestelle, an einem verchromten Ständer eine tragbare Lampe, die er fälschlich für die Sonne gehalten hatte, ein gescheckter brauner Fliesenfußboden, der dumpfe Geruch von Sterilisationsdampf und Desinfektionsmitteln, ein allgemeiner Duft nach Pfefferminz.
    Rechts von Mitch beugte sich ein Mann mit starkem Gletscherbrand, dessen Haut sich von den babyrosa Wangen schälte, zu ihm hinüber und sagte: »Sie sind der Amerikaner, der Glück gehabt hat, stimmt’s?« Die Rollen und Gewichte an seinem hochgezogenen Bein quietschten.
    »Ich bin Amerikaner« krächzte Mitch, »und Glück habe ich wohl auch gehabt, denn ich bin nicht tot.«
    Die Männer tauschten ernste Blicke aus. Mitch wurde klar, dass er schon seit einiger Zeit das Gesprächsthema war.
    »Wir sind uns alle einig, dass es am besten ist, wenn Bergsteigerkameraden es Ihnen sagen.«
    Bevor Mitch einwenden konnte, er sei eigentlich kein Bergsteiger, berichtete ihm der junge Mann mit dem Gletscherbrand, seine beiden Begleiter seien tot. »Der Italiener, mit dem Sie in der Gletscherspalte gefunden wurden, hat sich den Hals gebrochen.
    Die Frau wurde viel weiter unten unter dem Eis entdeckt.«
    Und dann, mit energisch forschendem Blick-Augen in der Farbe jenes Himmels, der Mitch an die Farbe trüber, irrer Hundeaugen erinnert hatte – fragte der junge Mann: »Es steht in der Zeitung, es kommt im Fernsehen. Woher hatte sie die kleine Babyleiche?«
    Mitch musste husten. Er sah auf dem Tisch neben seinem Bett einen Krug mit Wasser stehen und goss sich ein Glas ein. Die Bergsteiger beobachteten ihn wie athletische, an ihre Betten gefesselte Kobolde.
    Mitch erwiderte ihren Blick. Er versuchte, sein Entsetzen zu verbergen. Es tat ihm nicht gut, Tilde jetzt zu verurteilen; überhaupt nicht gut.

    Gegen Mittag kam der Inspektor zusammen mit einem Beamten der örtlichen Polizei; er setzte sich neben das Bett und begann Fragen zu stellen. Der andere Polizist, der besser englisch sprach, dolmetschte. Die Fragen, so der Inspektor, seien reine Routine und gehörten zu den Unfallermittlungen. Mitch sagte, er wisse nicht, wer die Frau sei, aber darauf erwiderte der Inspektor nach einer angemessenen Pause, sie seien alle drei gemeinsam in Salzburg gesehen worden. »Sie, Franco Maricelli und Mathilda Berger.«
    »Sie war Francos Freundin«, sagte er. Ihm war übel, aber er wollte es nicht zeigen. Der Inspektor seufzte und verzog missbilligend die Lippen, als sei eigentlich alles ganz einfach und nur ein wenig lästig.
    »Sie hatte die Mumie eines Kindes bei sich. Möglicherweise eine sehr alte Mumie. Haben Sie eine

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