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Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Dicke Luft
     
    Die schwüle Hitze, dachte Tim, macht
die Leute reizbar. Wer sportlich nicht gut drauf ist, läßt jetzt den Miesmuffel
raushängen und giftet die Mitmenschen an. Nur gut, daß wir so frisch, fröhlich
und friedfertig sind.
    Das bezog sich auf Gaby und ihn.
    Sie radelten durch die Gluthölle einer
Vorstadt-Straße. Prennstetten heißt das grüne, östliche Stadtviertel. Nach ihm
ist auch der Golfplatz benannt, wo Schicki-Mickis den Schläger schwingen, das
Reitergestüt und die berühmte Ausflugs-Gaststätte mit dem drittschönsten
Biergarten Europas.
    Doch nicht dorthin wollte das Pärchen,
sondern in die Musikalien-Handlung Wihold.
    „Geht’s nicht eine Reifendrehung
langsamer, du Rennbolzen“, hörte Tim die frisch-fröhlich, friedfertige Stimme
seiner Angebeteten hinter sich.
    Sofort nahm er das Tempo weg. Ganz in
Gedanken und ohne es zu wollen, war er in seinen Trainings-Rhythmus geraten.
„Entschuldige, Pfote. Wir haben ja Zeit.“
    „Du scheinst nie Zeit zu haben. Immer
Tempo, Tempo! Eines Tages fällt Klößchen aus dem Sattel. Und mich hetzt du rum
— wir... wir sind ja nicht verheiratet.“
    „Entschuldige“, er ließ sich
zurückhängen, bis er links neben ihr war. „Ich krieche ja schon.“
    Gaby pustete gegen ihren Goldpony. Es
klang beinahe wie ein Wutschnauben. Die Blauaugen blitzten.
    Sie scheint reizbar zu sein, überlegte
Tim. Am besten, ich sage gar nix.
    „Was du heute morgen zum Sackhüpfer“,
Gaby meinte den Studienrat Dr. Knusche, „gesagt hast, war unverschämt.“
    „Was habe ich gesagt?“
    „Pythagoras (altgriechischer
Philosoph ) sei auch nur ein Mensch gewesen.“
    „Was ist daran falsch?“
    „Ich habe nicht gesagt, daß es falsch —
sondern, daß es unverschämt war.“
    „Manchmal geht er mir auf den Keks. Der
Sackhüpfer, meine ich, nicht der Pythagoras.“
    „Ihr habt gestritten wie zwei Blöde.
Aber Sackhüpfer hat recht behalten.“
    „Kunststück“, grinste Tim. „Er hat
Mathe studiert. Ich bin erst Schüler der Mittelstufe.“
    „Um so schlimmer. Dann streitet man
nicht.“
    „Es ging ums Prinzip. Vom Sackhüpfer lasse
ich mich nicht wie ein dummer Schüler behandeln. Im übrigen konnte ich
beweisen, daß auch Einstein nicht immer recht hatte. Da ist manches umstritten
— und mathematisch habe ich auch schon ganz hübsch den Durchblick. So, wir sind
da.“
    Gott sei Dank! dachte er gleichzeitig.
Pfote scheint ein bißchen überhitzt zu sein. Das macht ungnädig. Aber Mädchen
haben eben nicht die sportliche Hornhaut wie unsereins auf dem inneren
Menschen.
    Tim schwang sich vom Rennrad.
    Auch Gaby saß ab. Aber ihr sommerlicher
Flatterrock verfing sich in den Hinterrad-Speichen.
    Sie zerrte, zischte, ließ beinahe ihr
Klapprad fallen — und der Stoff knirschte.
    Erst als Tim ihren Drahtesel hielt,
konnte sie den Rock befreien. Ein Ölfleck war am Saum.
    „Sch...“
    Tim bekam ganz große Ohren.
    Jetzt muß ich was Nettes sagen, dachte
er, damit der Dampf rausgeht.
    „Gaby“, der TKKG-Häuptling grinste.
„Wußtest du schon: Wenn dich die Wut packt, bist du besonders hübsch.“
    „Heißt das“, auch Kornblumen-Augen
können funkeln, „ich soll mich öfter mal aufregen, damit ich deinem
Schönheitsideal entspreche?“
    „Um Himmels willen — nein! So ist das
nicht gemeint. Bleib so cool, wie du kannst. Du bist auch entzückend, wenn du
die Ohren hängen läßt.“
    Gaby stellte ihr Rad an die
Bordsteinkante.
    „Wartest du? Oder willst du unbedingt
mitkommen?“
    „Ich will unbedingt mitkommen“, lachte
er. „Du weißt doch, wie ich Frau Wihold mag. Ihr zuliebe würde ich Blockflöte
lernen.“
    „Gib dir keine Mühe! Du bist
unmusikalisch.“
    „Vielleicht reicht mein Talent für
einfache Volksweisen. Dann könnte ich dich begleiten, wenn du in die Saiten
greifst. Zusammen sind wir wie eine Big Band.“
    Gaby schickte einen Aufwärts-Blick
durch ihre dunklen Wimpern gen Himmel, sagte „Komm!“ und ging voran mit
wehendem Rock.
    Sie trug außerdem ein hitze-gerechtes
Top mit Spaghetti-Trägern und Knäckebrot-Sandalen mit Riemchen.
    Hinreißend war sie anzuschauen, fand
Tim. Von vorn, von hinten, von allen Seiten — und die Reizbarkeit der inneren Gaby
würde sich spätestens nach dem Gewitter, das irgendwann kommen mußte,
normalisieren.
    MUSIKALIEN-HANDLUNG WIHOLD — SEIT 1868
— stand groß über den beiden, ums Eck laufenden Schaufenstern des schönen,
alten Hauses.
    Zum Anschauen für den Musikfreund

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