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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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so, und daß es sich so verhält, ist offenbar, was tun wir dann hier? Worauf warten, wovon träumen wir? Warum sind wir saumseliger und träger, unsere Gesundheit zu schützen, als alle unsere übrigen Mitbürger? Halten wir uns für geringer als die anderen Frauen oder denken wir, unsere Seele sei mit stärkeren Banden an den Körper geknüpft, als die der übrigen ist, so daß wir uns um nichts zu kümmern brauchten, das unsere Gesundheit zu erschüttern vermöchte? Wir irren, wir betrügen uns; wie töricht sind wir, wenn wir solches wähnen! Sooft wir uns daran erinnern, wie viele und wie kräftige Jünglinge und Mädchen von dieser grausamen Seuche dahingerafft sind, sehen wir den offenbarsten Beweis dafür.
    Damit wir nun nicht aus Trägheit oder Sorglosigkeit einem Unglück erliegen, dem wir, wenn wir wollten, auf irgendeine Weise entgehen könnten, dächte ich, wiewohl ich nicht weiß, ob ihr die gleiche Meinung habt, es wäre am besten, wir verließen, so wie wir sind, diese Stadt, wie es viele vor uns getan haben und noch tun. Die bösen Beispiele anderer wie den Tod verabscheuend, könnten wir mit Anstand auf unseren ländlichen Besitzungen verweilen, deren jede von uns eine Menge hat, wo wir uns dann Freude, Lust und Vergnügen verschafften, soviel wir könnten, ohne die Grenzen des Erlaubten irgendwie zu überschreiten. Dort hört man die Vöglein singen, dort sieht man Hügel und Ebenen grünen, dort wogen die Kornfelder nicht anders als das Meer, dort erblickt man wohl tausenderlei Bäume und sieht den Himmel offener, der, wie erzürnt er auch gegen uns ist, seine ewige Schönheit nicht verleugnet, was alles zusammen viel erfreulicher ist als der Anblick der kahlen Mauern unserer Stadt.
    Außerdem ist die Luft dort frischer, und der Vorrat von Dingen, die man zum Leben braucht, ist dort größer, und geringer die Zahl der Unannehmlichkeiten. Denn obgleich die Landleute dort sterben wie hier die Städter, so ist doch der üble Eindruck, der dadurch entsteht, um so geringer, als dort die Häuser und die Bewohner sparsamer verstreut sind wie hier in der Stadt. Hier verlassen wir auf der ändern Seite, wie mich dünkt, niemand, vielmehr können wir umgekehrt uns verlassen nennen, da die Unsrigen, entweder sterbend oder dem Tode entfliehend, uns, als ob wir ihnen nicht zugehörten, in so großem Elend alleingelassen haben. Kein Tadel kann also auf uns fallen, wenn wir diesen Vorschlag annehmen, wohl aber können uns Schmerz, Leid und vielleicht der Tod treffen, wenn wir ihn verwerfen.
    Beliebt es euch nun, so denke ich, es sei wohlgetan, wenn wir unsere Dienerinnen abrufen und uns die nötigen Sachen nachbringen lassen. Dann aber wollen wir, heute hier, morgen dort verweilend, unter den Ergötzungen und Lustbarkeiten, welche die Gegenwart uns bieten kann, so lange in diesem Leben fortfahren, bis wir - wenn der Tod uns nicht zuvor erreicht - gewahr werden, daß der Himmel diese Leiden zu enden beschlossen hat. Dabei will ich euch noch daran erinnern, daß ein ehrbares Entfernen uns nicht minder anstehen kann als vielen der anderen Frauen ein ehrloses Verweilen.«
    Die übrigen Damen lobten nicht allein Pampineas Vorschlag, sondern hatten auch schon, voll Verlangen, ihn zu befolgen, mehrfach einzeln unter sich über die Art der Ausführung zu sprechen begonnen, als sollten sie, sobald sie sich von ihren Sitzen erhöben, sich gleich auf den Weg machen. Filomena indes, die sehr verständig war, sagte: »Mädchen, obgleich sehr wohl gesprochen ist, was Pampinea sagt, so müssen wir doch die Sache nicht so übereilen, wie ihr zu tun willens zu sein scheint. Bedenkt, daß wir allesamt Frauen sind, und keine unter uns ist noch so kindisch, daß sie nicht wüßte, wie übel Frauen allein beraten sind und wie schlecht wir ohne die Fürsorge eines Mannes uns anzustellen wissen. Wir sind unbeständig, eigensinnig, argwöhnisch, kleinmütig und furchtsam, und aus allen diesen Gründen fürchte ich gar sehr, daß diese Gesellschaft sich früher und zu größerer Unehre für uns auflösen wird, als sie es tun sollte, wenn wir niemand anders als uns selbst zum Führer nehmen. Darum ist es gut, Vorsorge zu treffen, ehe wir beginnen.« Darauf sagte Elisa: »Wahrlich, die Männer sind das Haupt der Frauen, und ohne ihre Anordnungen gedeiht selten eine unserer Unternehmungen zu einem löblichen Ende. Aber wo sollten wir diese Männer finden? Jede von uns weiß, daß die meisten ihrer Angehörigen tot sind, und die ändern,

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