Das Deutsche als Männersprache
und >Neutralisation< überhaupt nicht anwendbar sind, wie z. B. man, wer, jemand, Mensch, Passagier. Da der Untersuchungsgegenstand ganz anders definiert ist, als Kal-verkämper es wahrgenommen hat, sind denn auch nicht die von ihm favorisierten lexikologischen Begriffe das angemessene Analyse-Instrumentarium, sondern die von Trömel-Plötz verwendeten referenzsemantischen Begriffe >generisch<, >Referent<, >distributiv<, >universal< und >kollektiv<.
Überhaupt kennt sich Kalverkämper in der Referenzsemantik, insbesondere mit dem Begriff >generisch< nicht aus, wie seine »Argumentation« und schließlich die Rede von dem »generisch gebrauchten Nomen im Plural« (63) mit den dort angeführten Beispielen klar belegen. Um so mehr verwundert es, wenn uns aus solcher Unkenntnis folgende Belehrung sprießt: »Was Frau Trömel-Plötz >generisch< und >geschlechtsindefinit< nennt, kann in der strukturalen... Semantik systematischer beschrieben werden« (5 8 )-
Nur in einem Teilbereich des Untersuchungsgegenstandes, bei den paarigen Personenbezeichnungen vom Typ der/die Sprecher/in, der/die Angestellte hätten die laut Kalverkämper vernachlässigten Begriffe mit verwendet werden können, allerdings ohne daß sich dadurch am Analyseergebnis irgendetwas geändert hätte: Die jeweilige maskuline Bezeichnung hat generisch zwei Lesarten (»Männer allein« sowie »Männer und Frauen«) und die feminine nur eine (»Frauen allein«).
Im Rahmen einer feministischen Wortschatzanalyse (die aber bei Trömel-Plötz nur ein Thema am Rande war, p. 56, 1-4) ist natürlich der Begriff >Archilexem<« außerordentlich interessant — aber nur, wenn man ganz anders fragt als Kalverkämper, bzw. wenn man überhaupt fragt, denn Kalverkämper, der »sich dem wertfreien und vorurteilslosen struktural-systematischen Zugang zum Phänomen >Sprache< verpflichtet fühlt« (55), stellt ja nur fest: »Solche Prozesse sind in den natürlichen Sprachen nichts Besonderes« (59). Da aber in den Sprachen nun einmal unsere grundlegenden Wertvorstellungen kodifiziert sind, lohnt es sich immer, diese Vorstellungen auch mit linguistischen Mitteln aufzudecken, etwa wie Lakoff und Johnson 1979 und 1980 es mit verblüffenden Resultaten vorexerziert haben. Eine nach versteckten Wertungen forschende Analyse hätte hier also zu fragen: Zu welchen Oppositionspaaren gibt es Archilexeme, zu welchen nicht? Welches von zwei Oppositionsgliedern trägt den Archi-Sieg davon? Es ist kaum anzunehmen, daß die Wahl arbiträr ist, und schon ein kurzes Hinsehen liefert interessante Aufschlüsse. Bei den Personenbezeichnungen ist alles klar: Wenn es ein Archilexem gibt, dann ist es das Maskulinum. Bei den Nutztieren wird anscheinend das nützlichere Geschlecht zum Archi: HUHN/Hahn, GANS /Gänserich, ENTE/Enterich, Erpel, KUH/Stier, Ochse, ZIEGE/Ziegenbock. Bei den Raubtieren der männliche Gegner des Mannes (das starke Geschlecht?): LÖWE/Löwin, WOLF/Wölfin, BÄR/Bärin, TIGER/Tigerin, LEOPARD/Leopardin. Bei den relativen Adjektiven wird dasjenige zum Archi, das das Mehr der jeweiligen Dimension bezeichnet: Wie GROSS/? klein, LANG/? kurz, BREIT/ schmal, DICK/? dünn, ALT/? jung, SPÄT/? früh ist es ? Das Archilexem Tag hat gegenüber Nacht die positiveren Konnotationen. Zum Archi wird also anscheinend das jeweils Wichtigere, Größere, Positivere. Wie schön für uns Frauen.
3.4 Unzulässige Verwechslung von Sexus und Genus?
Kalverkämpers Behauptung, Sexus habe nichts mit Genus zu tun (62), ist natürlich ein so hanebüchener Unsinn, daß er selbst sie nicht durchgehend aufrechterhalten mag und sich da lieber widerspricht, indem er einräumt: »Das soll allerdings nicht kategorisch besagen, daß die Sprachgemeinschaften in Einzelfällen nicht doch eine Beziehung zwischen Genus und Sexus, zwischen Sexus und Genus erstellen« (60).
Das, was Kalverkämper »Einzelfälle« nennt, sind vor allem die Personenbezeichnungen — der Untersuchungsgegenstand von Trömel-Plötz also und derjenige Sprachausschnitt, dem zur Zeit das Hauptinteresse der feministischen Linguistik und Sprachpolitik gilt (vgl. die oben erwähnten Guidelines). Trömel-Plötz »verwechselt« nicht Sexus und Genus, sondern sie analysiert gezielt die Beziehungen zwischen der grammatischen Kategorie Genus und dem Sexus der Referent/inn/en — unter besonderer Berücksichtigung der Fälle, wo beide Kategorien miteinander in Konflikt geraten:
??Hallo Frauen, wer von euch kann mir sein Fahrrad leihen?
??Herr
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