Das Deutsche als Männersprache
einbezog.
Gleich 1973 las ich den inzwischen klassischen Aufsatz »Language and women’s place« von Robin Lakoff. Ich fand ihn sehr interessant, aber er regte mich nicht zu eigenständiger Forschung auf dem damit eröffneten neuen Gebiet an. Außerdem hatte ich damals auch weisungsgemäß über andere Themen zu forschen, z.B. über Nominalisierungen konjunktionaler Nebensätze. 1976 kam ich zur Frauenbewegung, las Simone de Beauvoir, Betty Friedan, Kate Millett und Alice Schwarzer, abonnierte Emma und Courage — und immerzu fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Nächtelang war ich wütend über vergewaltigende und prügelnde Ehemänner, über die systematische Benachteiligung der Frau im Beruf, über den alltäglichen Sexismus in Lehrbüchern und in den Medien. Aber Sexismus in der Sprache — nein, das war für mich kein Thema, obwohl ich von den »Laiinnen«, gerade als Sprach-Fachfrau, ständig darauf angesprochen wurde. Das neue Pronomen frau, das ich in feministischen Texten nun allenthalben las, fand ich lustig, schön frech und aufsässig, aber nicht eigentlich wichtig — weil ich die Supermaskulinität von man auch nicht so wichtig fand. Denn die Linguistik, wie ich sie gelernt hatte, interessiert sich zwar dafür, was Ausdrücke bedeuten, aber nicht dafür, was es für Menschen subjektiv und objektiv bedeutet, daß Ausdrücke gerade das bedeuten, was sie bedeuten. Die herkömmliche Linguistik kritisiert Sprache nicht, sondern sie beschreibt sie. Und mit dem Beschreiben allein hat sie tatsächlich reichlich zu tun, denn Sprachen sind äußerst komplizierte Systeme, über die wir erst sehr wenig wissen.
Die Linguistik erlegt sich diese Selbstbeschränkung vermutlich auch deswegen auf, weil sie etwas vom Glanz der Naturwissenschaften erben möchte. Die Naturwissenschaften beschränken sich bekanntlich auf beschreibendes Erklären ihrer Gegenstände, da Kritik sinnlos ist. Sprache ist aber kein Natur-, sondern ein historisch-gesellschaftliches Phänomen und als solches auch kritisier- und veränderbar. Nach Auffassung von Feministinnen nicht nur kritisierbar, sondern extrem kritikbedürftig — und reformbedürftig.
Es bedurfte wohl radikalfeministischer Verve, Unbekümmertheit, Subjektivität und entschlossener Parteilichkeit, um zu dieser Auffassung über Sprache zu kommen. Sonst hätte sie sich kritikfähigen Frauen sicher schon eher aufgedrängt. Es ist aber nicht nur die herkömmliche Linguistik, die solche Gedanken nicht gerade fördert, sondern auch unser aller Alltagsbeziehung zu Sprache. Sprache wird uns im Kindesalter einverleibt etwa nach dem Motto: »Was auf den Tisch kommt, wird gegessen .« Zwar lernen wir, daß wir »schmutzige« Ausdrücke nicht verwenden und mir und mich nicht verwechseln sollen, aber daß wir von uns aus etwas Sprachliches rundheraus ablehnen könnten, wird uns weder beigebracht noch vorgemacht. Eine »natürliche« Ausnahme bilden die Eigennamen. Manche mögen bestimmte Namen einfach nicht leiden. Ich z. B. finde Yvonne »affig« und würde ungern so heißen (alle Yvonnen mögen mir verzeihen!). Aber es wäre mir von allein niemals eingefallen, gegen ein Pronomen (man), eine Endung (-in) oder gegen ein Genus (Maskulinum) zu rebellieren. Dergleichen sprachliche Einheiten sind für die meisten so abstrakt und außerbewußt, daß sie dafür überhaupt keine Gefühle, weder positive noch negative, entwickeln können.
Jedenfalls galt das bis vor kurzem für die meisten Frauen. Männer dagegen waren schon immer emotionaler. Es gibt für sie einen allergischen Punkt in der Sprache: das Femininum. Wird ein Mann als Verkäuferin, Hausfrau, Fachfrau, Beamtin, Ärztin, Dame, Deutsche, Inhaberin o. ä. bezeichnet, so bringt ihn das völlig aus der Fassung. Es ist ihm etwa so gräßlich, wie wenn er mit Vornamen Rosa hieße oder neckisch in den Po gekniffen würde.
Die Folge der männlichen Allergie gegen das Femininum ist dessen nahezu vollständige Verdrängung aus der Sprache, mit anderen Worten: die sprachliche Vernichtung der Frau, denn ihre genuine sprachliche Existenzform ist das Femininum. Es fängt scheinbar harmlos an: Wenn Ute Schülerin ist und Uwe Schüler, dann sind Ute und Uwe Schüler, nicht Schülerinnen — denn Uwe verträgt das Femininum nicht. Es geht und geht nicht an, ihn mit der Bezeichnung »Schülerin« zu kränken, selbst wenn — zig Schülerinnen seinetwegen zu Schülern werden müssen. Da bereits ein Knabe mittels seiner Allergie beliebig viele
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