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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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krank.«
    »Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wärst du doch in der Rotenturmstraße.«
    Er nickt. »Ja, es geht ihm besser. Außerdem ist meine Frau drüben.«
    »Wer?«
    »Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute morgen mit dem anderen Kind.«
    »Mit dem anderen Kind?« echot die junge, elegante Frau.
    »Ja, es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluß dann das andere. Doch das hab’ ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.«
    Die Dame lacht böse. »Raffiniert eingefädelt von deiner Geschiedenen!«
    »Sie weiß es auch erst seit gestern«, meint er ungeduldig.
    Irene Gerlach verzieht ironisch die schön geschminkten Lippen.
    »Die Situation ist nicht unpikant, gelt? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist!«
    Ihn packt der Ärger. »Es gibt noch mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin!«
    »Oh!« Sie erhebt sich. »Witzig kannst du auch sein?«
    »Entschuldige, Irene, ich bin nervös!«
    »Entschuldige, Ludwig, ich auch!«
    Bums! Die Tür ist zu, und Fräulein Gerlach ist gegangen!
    Nachdem Herr Palffy einige Zeit auf die Tür gestarrt hat, wandert er zum Bösendorfer-Flügel hinüber, blättert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend, vor die Tasten.
    Eine Zeitlang spielt er vom Blatt. Einen strengen, schlichten Kanon in einer der alten Kirchentonarten. Dann moduliert er. Von Dorisch nach c-Moll. Von c-Moll nach Es-Dur. Und langsam, ganz langsam schält sich aus der Paraphrase eine neue Melodie heraus.
    Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend, als ob zwei kleine Mädchen mit ihren hellen Kinderstimmen sie sängen. Auf einer Sommerwiese. An einem kühlen Gebirgssee, in dem sich der blaue Himmel spiegelt. Jener Himmel, der höher ist als aller Verstand und dessen Sonne die Kreaturen wärmt und bescheint, ohne zwischen den Guten, den Bösen und den Lauen einen Unterschied zu machen.

ELFTES KAPITEL
    Ein doppelter Geburtstag und ein einziger Geburtstagswunsch – Die Eltern ziehen sich zur Beratung zurück – Daumen halten! –Gedränge am Schlüsselloch – Mißverständnisse und Einverständnis  

    Die Zeit, die, wie man weiß, Wunden heilt, heilt auch Krankheiten. Lottchen ist wieder gesund. Sie trägt auch wieder ihre Zöpfe und Zopfschleifen. Und Luise hat wie einst ihre Locken und schüttelt sie nach Herzenslust.
    Sie helfen der Mutti und der Resi beim Einkaufen und in der Küche. Sie spielen gemeinsam im Kinderzimmer. Sie singen mitsammen, während Lottchen oder gar Vati am Klavier sitzt. Sie besuchen Herrn Gabele in der Nachbarwohnung. Oder sie führen Peperl aus, wenn der Herr Hofrat Sprechstunde hat. Der Hund hat sich mit dem zweifachen Luiserl abgefunden, indem er seine Fähigkeit, kleine Mädchen gernzuhaben, zunächst verdoppelt und dann diese Zuneigung halbiert hat. Man muß sich zu helfen wissen.
    Und manchmal, ja, da schauen sich die Schwestern ängstlich in die Augen. Was wird werden?
    Am 14. Oktober haben die beiden Mädchen Geburtstag. Sie sitzen mit den Eltern im Kinderzimmer. Zwei Kerzenkränze brennen, jeder mit zehn Lichtern. Selbstgebackenes und dampfende Schokolade hat’s gegeben. Vati hat einen wunderschönen
    »Geburtstagsmarsch für Zwillinge« gespielt. Nun dreht er sich auf dem Klavierschemel herum und fragt: »Warum haben wir euch eigentlich nichts schenken dürfen?«
    Lottchen holt tief Atem und sagt: »Weil wir uns etwas wünschen wollen, was man nicht kaufen kann!«
    »Was wünscht ihr euch denn?« fragt die Mutti.
    Nun ist Luise an der Reihe, tief Luft zu holen. Dann erklärt sie, zapplig vor Aufregung: »Lotte und ich wünschen uns von euch zum Geburtstag, daß wir von jetzt ab immer beisammenbleiben dürfen!«
    Endlich ist es heraus!
    Die Eltern schweigen.
    Lotte sagt ganz leise: »Dann braucht ihr uns auch nie im Leben wieder etwas zu schenken! Zu keinem Geburtstag mehr. Und zu keinem Weihnachtsfest auf der ganzen Welt!«
    Die Eltern schweigen noch immer.
    »Ihr könnt es doch wenigstens versuchen!« Luise hat Tränen in den Augen. »Wir werden bestimmt gut folgen. Noch viel mehr als jetzt. Und es wird überhaupt alles viel, viel schöner werden!«
    Lotte nickt. »Das versprechen wir euch!«
    »Mit großem Ehrenwort und allem«, fügt Luise hastig hinzu.
    Der Vater steht vom Klaviersessel auf. »Ist es dir recht, Luiselotte, wenn wir nebenan ein paar Worte

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