Das doppelte Lottchen
nicht. Von wem? Von der Mutter?
Wieder läutet das Telefon.
Resi steckt den Kopf ins Zimmer. »Fräulein Gerlach!«
Herr Palffy schüttelt ablehnend den Kopf.
Frau Körner läßt sich von Doktor Bernau wegen »dringender Familienangelegenheiten« Urlaub geben. Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt für morgen früh auch richtig zwei Flugkarten. Dann wird ein Koffer mit dem Notwendigsten gepackt.
Die Nacht scheint endlos, so kurz sie ist. Aber auch endlos scheinende Nächte vergehen.
Als am nächsten Morgen der Herr Hofrat Strobl, von Peperl begleitet, vor dem Haus in der Rotenturmstraße ankommt, fährt gerade ein Taxi vor.
Ein kleines Mädchen steigt aus dem Auto – und schon springt Peperl wie besessen an dem Kind hoch! Er bellt, er dreht sich wie ein Kreisel, er wimmert vor Wonne, er springt wieder hoch!
»Grüß Gott, Peperl! Grüß Gott, Herr Hofrat!«
Der Herr Hofrat vergißt vor Verblüffung, den Gruß zu erwidern.
Plötzlich springt er, wenn auch nicht ganz so graziös wie sein Peperl, auf das Kind zu und schreit: »Bist du denn völlig überg’schnappt?
Scher dich ins Bett!«
Luise und der Hund sausen ins Haustor.
Eine Dame entsteigt dem Auto.
»Den Tod wird sich’s holen, das Kind!« schreit der Hofrat empört.
»Es ist nicht das Kind, das Sie meinen«, sagt die Dame freundlich. »Es ist die Schwester.«
Resi öffnet die Korridortür. Draußen steht der japsende Peperl mit einem Kind.
»Grüß Gott, Resi!« ruft das Kind und stürzt mit dem Hund in das Kinderzimmer.
Die Haushälterin schaut entgeistert hinterdrein und schlägt ein Kreuz.
Dann ächzt der alte Hofrat die Stufen empor. Er kommt mit einer bildhübschen Frau, die einen Reisekoffer trägt.
»Wie geht’s Lottchen?« fragt die Frau hastig.
»Etwas besser, glaub’ ich«, meint die Resi. »Darf ich Ihnen den Weg zeigen?«
»Danke, ich weiß Bescheid!« Und schon ist die Fremde im Kinderzimmer verschwunden.
»Wenn S’ wieder einigermaßen zu sich gekommen sein werden«, sagt der Hofrat amüsiert, »helfen S’ mir vielleicht aus dem Mantel.
Aber lassen S’ sich nur Zeit!«
Resi zuckt zusammen. »Bitte tausendmal um Vergebung«, stammelt sie.
»‘s hat ja heute keine solche Eile mit meiner Visite«, erklärt er geduldig.
»Mutti!« flüstert Lotte. Ihre Augen hängen groß und glänzend an der Mutter wie an einem Bild aus Traum und Zauber. Die junge Frau streichelt wortlos die heiße Kinderhand. Sie kniet am Bett nieder und nimmt das zitternde Geschöpf sanft in die Arme.
Luise schaut blitzschnell zum Vater hinüber, der am Fenster steht. Dann macht sie sich an Lottchens Kissen zu schaffen, klopft sie, wendet sie um, zupft ordnend am Bettuch. Jetzt ist sie das Hausmütterchen. Sie hat’s ja inzwischen gelernt!
Der Herr Kapellmeister mustert die drei mit einem verstohlenen Seitenblick. Die Mutter mit ihren Kindern. Seine Kinder sind es ja natürlich auch! Und die junge Mutter war vor Jahren sogar einmal seine junge Frau! Versunkene Tage, vergessene Stunden tauchen vor ihm auf. Lang, lang ist’s her…
Peperl liegt wie vom Donner gerührt am Fußende des Betts und blickt immer wieder von dem einen kleinen Mädchen zum anderen.
Sogar die kleine schwarze gelackte Nasenspitze ruckt unschlüssig zwischen den beiden hin und her, als schwanke sie zweifelnd, was denn nun zu tun sei. Einen netten, kinderliebenden Hund in eine solche Verlegenheit zu bringen!
Da klopft es.
Die vier Menschen im Zimmer erwachen wie aus einem seltsamen Wachschlaf.
Der Herr Hofrat tritt ein. Jovial und ein bißchen laut wie immer.
Am Bett macht er halt. »Wie geht’s dem Patienten?«
»Gut«, sagt Lottchen und lächelt ermattet.
»Haben wir heute endlich Appetit?« brummt er.
»Wenn Mutti kocht!« flüstert Lottchen.
Mutti nickt und geht ans Fenster. »Entschuldige, Ludwig, daß ich dir erst jetzt guten Tag sage!«
Der Herr Kapellmeister drückt ihr die Hand. »Ich dank’ dir vielmals, daß du gekommen bist.«
»Aber ich bitte dich! Das war doch selbstverständlich! Das Kind…«
»Freilich, das Kind«, erwidert er. »Trotzdem!«
»Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nicht geschlafen«, meint sie zögernd.
»Ich werd’s nachholen. Ich hatte Angst um… um das Kind!«
»Es wird bald wieder gesund sein«, sagt die junge Frau zuversichtlich. »Ich fühl’s.«
Am Bett wird gewispert. Luise beugt sich dicht an Lottchens Ohr. »Mutti weiß nichts von Fräulein Gerlach. Wir’ dürfen’s ihr auch nie
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