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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Ausweis, dann wäre die Frau erlöst und könnte sich darum kümmern, ihre Schar einzusammeln und zurück in den Hort zu bringen.
    »Ich hab’s gesehen!«
    Ein Mädchen, fünf oder sechs Jahre alt, drängte sich zu ihnen durch. Eine kleine orientalische Märchenprinzessin. Ungestüm warf sie sich in Katharina Spenglers Arme, die das Kind an sich drückte und ihm einen schnellen Kuss auf den Scheitel gab.
    »Nichts hast du gesehen, Dilshad. Wo ist Frau Kramer? Sie war doch mit der anderen Gruppe unterwegs! – Frau Kramer ist meine Kollegin, wir sind zu zweit hier. – Sind Peer und Luise bei ihr?«
    »Luise ist noch bei den Schweinen.«
    »Oh mein Gott!«
    »Gehen Sie«, sagte Sanela. »Ich bleibe bei den Kindern.«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Sanela, dass eine zweite Streifenwagenbesatzung angekommen war und begann, den Platz vor dem Gehege abzusperren. Die Frau rannte davon und schrie dabei immer wieder laut die Namen der vermissten Jungen. Sanela spürte die verschwitzte kleine Hand in der ihren.
    So ein schöner Tag. Siebzehn Kinder, zwei Erzieherinnen. Ein Ausflug in den Tierpark bei einem Wetter, wie es besser nicht sein konnte. Frisch und kühl der Morgen, doch wenig später schon heiß genug, um am Eisstand Halt zu machen. Dilshads kleiner rosiger Mund trug noch die Spuren von Schokolade. Sanela war versucht, ihn ihr mit einem Taschentuch abzuwischen. Dann fiel ihr ein, dass sie keines bei sich hatte.
    »Was hast du gesehen?«, fragte sie.
    »Die Schweine haben die Hand gefressen.«
    Sanela stand mit dem Kind auf der linken Seite der hölzernen Absperrung. Hinter ihr schlängelte sich ein Wassergraben. Tief genug, dass die Schweine nicht ans andere Ufer kamen. Ein paar Meter weiter, halb verborgen vom Gebüsch, führte eine kleine Brücke über den Kanal. Immer mehr Schaulustige und Gaffer kamen. Sie folgten dem Herdentrieb. Wo viele Menschen waren, gab es etwas umsonst. Ihr Blick suchte Sven, sie fand ihn nicht. In den Rufen und dem Geschrei um sie herum ging auch seine Stimme unter.
    »Wer war das?«, fragte das kleine Mädchen.
    »Wer?«
    »Der Mann, den sie gefressen haben.«
    Sanela schaute auf das Geschöpf herab, das man ihr so plötzlich anvertraut hatte und das unfassbare Fragen stellte.
    »Woher weißt du, dass es ein Mann war?«
    Dilshad zuckte unsicher mit den mageren Schultern. »Ich weiß nicht. Er sah so aus. Vielleicht fressen die Schweine ja auch Kinder.«
    »Nein, nein, sie fressen keine Kinder. Und auch keine Menschen. Das war etwas anderes, was du gesehen hast. Ein Spielzeug.«
    Moment, blinkte es in ihrem Kopf. Du kannst doch nicht anfangen, die Erinnerung von Zeugen zu manipulieren. Auch wenn sie noch in den Kindergarten gehen. Sie bückte sich ein wenig, um auf Augenhöhe mit dem Mädchen zu sprechen.
    »Gleich wird jemand da sein, der mit dir redet. Dann sagst du nur, was du gesehen hast. Okay?«
    »Eine Hand. Und die Schweine haben dran rumgefressen. Und den Clown.«
    »Den Clown?«
    Wie eine Welle drückte die Menschenmenge sie nun an das Geländer. Nur mit Mühe gelang es Sanela, das Mädchen zu schützen. Es wurden immer mehr. Sie verlor den Überblick. Die Kindergartengruppe schien sich von alleine auf der anderen Seite des Weges zu sammeln. Wo zum Teufel blieb die Spurensicherung? Wo die Kollegen?
    »Dahinten!«, schrie einer. Alle Köpfe ruckten herum. Sanela kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Lag da ein Torso? Ein Bein? Was um Gottes willen war das? Verkrustetes Blut auf bleicher Haut, ein Fleischklumpen, verklebt mit trockenem Gras und Mulch. Eine Woge des Entsetzens packte die Zuschauer. Sanela hätte am liebsten einen Warnschuss abgegeben.
    »Zurück!«, brüllte sie.
    »Ich hab’s gesehen!« Dilshads Stimme, schrill wie Kreide auf einer Schiefertafel. »Ich weiß, wer’s war!«
    Die Köpfe wendeten sich ihnen zu. Alles kam erneut in Bewegung. Mit letzter Kraft versuchte sie, Dilshad zu schützen. Herr im Himmel, dachte sie. Wo ist diese Erzieherin, die mich einfach mit einem völlig hysterischen Kind alleine lässt? Was machen all die Leute hier? Was rufen sie? Ist das Panik?
    »Polizei! Lassen Sie uns durch! Räumen Sie den Weg!«
    Endlich. Sanela konnte die Beamten nicht sehen, aber sie spürte, wie der Druck nachließ. Erst als sich zwei Uniformierte und ein Tierpfleger, zu erkennen an den grünen Gummistiefeln und der Wasserschutzhose, durch die Menge gekeilt hatten und das Feld quasi von hinten aufrollten, bekam sie wieder mehr Luft. Der

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