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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Ihr Bestes!«
    »Ich hab mir immer vorgenommen, wenn der Teufel mich mal auf einen hohen Berg führt, daß ich dann ohne Widerworte alles glauben werde, was er mir erzählt, bis ich heil wieder unten bin«, sagte Pascoe. »Also schießen Sie los. Spielen Sie Fremdenführer.«
    »Nicht nötig«, sagte Dalziel. »Ich hab ’ne Landkarte. Sie war in der Dendale-Akte, die übrigens bei mir im Wagen liegt. Sie können sie nachher mit nach Hause nehmen und gründlich durchlesen. Hier.«
    Er überreichte Pascoe ein Blatt Zeichenpapier. Pascoe betrachtete es schmunzelnd.
    »Diese saubere Hand kenne ich doch? Ja, da sind sie! Die magischen Initialen E. W.«
    »Hm, die ist von Wieldy. Sie müssen allerdings berücksichtigen, daß seine gemalten Häuser heute nix weiter sind als die Schutthaufen da unten.«
    »Kam das vom Wasser?« wollte Pascoe wissen.
    »Nein. Die Wasserbehörde hat sie abreißen lassen. Die dachten wohl, wenn sie die Häuser als Ganzes unter Wasser stehen lassen, müßten sie auf ewige Zeiten die Witwenrenten der Hinterbliebenen irgendwelcher Unterwasser-Freaks bezahlen. Sogar die Häuser, die nicht überflutet wurden, haben sie plattgewalzt. Damit ja keiner zurückschleicht und sich heimlich einnistet.«
    Pascoe studierte die Landkarte. Dalziel reichte ihm sein Fernglas.
    »Fangen Sie mitten im Dorf an«, riet er. »Wenn Sie den Leichenpfad nach unten verfolgen, sehen Sie, daß er an einem großen Felsen endet, dem Shelter Crag. Der heißt so, weil sie da immer ihre Toten abgelegt haben, bevor die ihre Reise über den Hügel nach St. Michael’s antraten. Als sie ihre eigene Kirche bauen konnten, war das natürlich der logischste Platz dafür, und jetzt ist diese Kirche der große Steinhaufen neben dem Felsen.«
    Mit der Sorgfalt und Präzision eines Briefträgers, der die Runde zu oft gemacht hatte, um sie je zu vergessen, führte Dalziel seinen Kollegen durch das verunstaltete Tal. Hatte man die ehemalige Kirche erst einmal ausfindig gemacht, waren die Überbleibsel des Dorfkerns einigermaßen gut zu erkennen. Weiter entfernt gelegene Gebäude waren nicht so leicht zu unterscheiden. Hobholme, der Hof, auf dem das erste Mädchen gelebt hatte, war nicht allzu schwierig auszumachen, aber der Stang-Hof mit der Dorftischlerei schien in alle Winde verstreut. Heck, das Haus der Wulfstans, erstreckte sich als Steinruine vom neuen Ufer bis hin zum alten Rand des schwindenden Dorfsees, und weiter hinten war der langgezogene Rundhügel zu erkennen, an dem einst Low Beulah gestanden hatte, der Hof des Mädchens, das davongekommen war.
    Neb Cottage allerdings, der Wohnort des Hauptverdächtigen Benny Lightfoot und Schauplatz des letzten Angriffs, war nur schwer zu finden – vielleicht, weil es so weit oben lag, daß es die letzten fünfzehn Jahre nicht unter Wasser gestanden hatte. Vielleicht aber war es, ebenso wie sein Bewohner, wieder in den Schoß der Erde zurückgekehrt, dem seine Steine entrissen worden waren.
    Pascoe teilte diesen Gedanken des Dicken nicht und richtete das Fernglas auf den Staudamm.
    Irgendwo gab es ein Tal – im Lake District? –, dessen naive Bewohner einer Legende zufolge eine Mauer bauten, um den Kuckuck einzufangen und dadurch für immer im Frühling leben zu können. In diesem Tal hier war die Absicht wissenschaftlich fundierter, allerdings nicht viel erfolgreicher gewesen. Zwei Drittel der Staumauer waren mit getrocknetem Schlamm bedeckt, und auf das mittlere Drittel leckten sonnengefleckte Wellen, die nicht einmal eine Streichholzschachtel zum Kentern gebracht hätten. Der Damm wirkte genauso fehl am Platz wie ein Fußballstürmer in einer Ballettschule.
    Pascoe folgte mit den Augen der sanften Krümmung bis hinauf zum Geländer, wo er einen Mann erblickte, der ganz gemütlich auf dem Damm entlangspazierte. Aus dieser Entfernung und diesem Blickwinkel war es schwer, sein Gesicht zu erkennen, aber er war groß und hatte langes, glatt zurückgekämmtes schwarzes Haar.
    »Da unten ist jemand«, sagte Pascoe.
    »Ach ja? Ein bißchen früher, und Sie hätten Dutzende von Leuten geseh’n. Lokalhistoriker, Vogelkundler, Bergwanderer … Die Wasserbehörde hat keine Chance, die Schaulustigen ohne bewaffnete Armee fernzuhalten«, erwiderte Dalziel.
    Er nahm Pascoe das Fernglas ab und blickte kurz über den Damm.
    »Er ist weg, oder Sie hatten Halluzinationen. Allerdings ist jemand oben auf Beulah Height.«
    Er starrte auf den Hang unterhalb des zweifachen Gipfels.
    »Beulah Height. Und

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