Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Seite weiter hin und vor einer Landspitze verrieth das Gurgeln des Wassers einen starken Strudel. Wenn das Floß in diesen gerieth und nicht mehr in der hier seitwärts abgeleiteten Strömung zu halten war, mußte es unfehlbar gegen das Ufer stoßen. Khamis vermochte es wohl gewöhnlich mit seinem Steuer auf dem richtigen Wege zu halten, es aber auch wieder aus jenem Strudel zu lootsen, erschien als eine sehr schwierige Aufgabe. Dann überfielen es aber jedenfalls die Affen vom Ufer aus in großer Zahl. Darum machte es sich nöthig, sie durch Gewehrschüsse zu vertreiben, ehe das Floß sich in dem Wasserwirbel sing.
    Eine Minute später war die ganze Bande verschwunden, doch nicht die Kugeln und nicht der Knall der Schüsse hatte sie vertrieben. Schon seit einer Stunde thürmte sich am Himmel langsam ein Gewitter auf. Fahle Blitze zuckten durch die Wolkenmassen. Immer weiter schoben sich die dunkeln, gelblich geränderten Wolken herauf und bald brach eines jener furchtbaren Unwetter aus, wie sie nur in niedrigen Breiten vorkommen. Bei dem entsetzlichen Donnerkrachen bemächtigte sich der Vierhänder die instinctive Unruhe, die eine elektrische Spannung in der Luft in sehr vielen Thieren hervorruft. Sie singen an sich zu fürchten und suchten unter dem dichtesten Laubdache Schutz gegen die blendenden Entladungen, unter denen die Wolkendecke zu zerreißen schien. In kürzester Zeit waren beide Ufer verlassen, und von der ganzen Rotte waren nur noch etwa zwanzig todte Körper zu sehen, die zerstreut zwischen dem Gebüsch des Waldrandes lagen.
Zehntes Capitel.
Ngora!
    Am nächsten Morgen wölbte sich der wieder heitere – man hätte sagen können, von dem Riesenwedel des Gewitters reingefegte – Himmel in tiefem Blau über den Wipfeln der Bäume. Bei Sonnenaufgang verflüchtigten sich vollends noch die letzten Tröpfchen, die an Blättern oder Gräsern hingen. Der schnell wieder trocken gewordene Erdboden hätte recht gut eine Wanderung durch den Wald gestattet. Natürlich war aber von einer Wiederaufnahme des Marsches nach Südwesten jetzt keine Rede mehr. Wich der Rio Johausen nicht aus seiner bisherigen Richtung ab, so hoffte Khamis, das eigentliche Becken des Ubanghi binnen vierzehn Tagen zu erreichen.
    Die gewaltige atmosphärische Störung mit den zuckenden, zuweilen auf die Erde niederschlagenden Blitzen und dem lange hinrollenden Donner hatte erst früh gegen drei Uhr ein Ende genommen. Durch den Strudel hindurch war das Floß an die steile Uferwand getrieben worden und hatte hier Schutz gefunden. Dicht daneben stand ein mächtiger Baobab (Affenbrodbaum), dessen hohler Stamm nur noch durch die äußersten Holzschichten und die Rinde gebildet wurde. Khamis und seine Gefährten nahmen darin Platz, wenn es dabei auch etwas eng zuging. Ebenso waren die wenigen Geräthe, die Feuerwaffen und die Munition, die hier von dem Unwetter nichts zu leiden hatten, hereingeschafft worden und wurden in der Stunde vor der Abfahrt ohne große Mühe wieder auf das Floß gebracht.
     

    Die Thiere erwarteten das Vorüberkommen des Flosses. (S. 119.)
     
    »Nun wahrlich, dieses Gewitter kam gerade zur rechten Zeit,« bemerkte John Cort gegen Max, während der Foreloper die Reste des Wildes zum Frühstück zurecht machte.
    Unter fortwährendem Plaudern beschäftigten sich die beiden jungen Männer mit der Reinigung ihrer Gewehre, die einer solchen nach dem gestrigen Feuergefecht nothwendig bedurften.
    Llanga schlenderte inzwischen im Gesträuch und im hohen Grase umher, um Nester und Eier zu suchen.
    »Jawohl, lieber John, das Gewitter kam uns recht gelegen, sagte Max Huber, gebe nur der Himmel, daß es jetzt, wo der Sturm vorüber ist, den Burschen nicht einfällt, noch einmal hier aufzutauchen. Jedenfalls müssen wir auf der Hut sein.«
    Auch Khamis befürchtete, daß die Vierhänder mit Tagesanbruch die beiden Ufer wieder besetzen würden. Er beruhigte sich jedoch bald: obwohl es unter den Bäumen allmählich heller wurde, war doch kein neuer Lärm zu hören.
    »Ich bin am Ufer wohl hundert Schritte weit hinausgegangen, habe aber keinen einzigen Affen entdecken können, versicherte John Cort.
    – Das läßt ja das beste hoffen, antwortete Max Huber, und ich denke, unsere Patronen ferner anders zu verwenden, als zur Vertheidigung gegen die Schlingel von Makaken!… Wahrlich, ich befürchtete schon, daß unser gesammter Schießvorrath gestern daraufgehen würde.
    – Und wie hätten wir den erneuern können? fiel John Cort ein.

Weitere Kostenlose Bücher