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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hätten. Und vielleicht schliefen gar auch die bestellten Wächter ein?… Ja, wirklich; nach zehn Uhr gab es keinen mehr, der da hätte melden können, daß sich am Saume des großen Waldes eine Anzahl verdächtiger Flammen unablässig hin und her bewegte.
Zweites Capitel.
Wandelnde Flammen.
    Eine Entfernung von zwei Kilometern trennte den Hügel von dem tiefdunkeln Waldesdickicht, an dessen Rande sich qualmende und flackernde Flammen hier-und dorthin bewegten. Es mochten ihrer gegen zehn sein, die jetzt vereinigt, dann wieder vereinzelt aufleuchteten und manchmal so heftig hin und her schwankten, wie es die Ruhe der Atmosphäre nicht zu rechtfertigen schien. Man konnte wohl vermuthen, daß eine Rotte Eingeborner sich dort gelagert habe, um an dieser Stelle den Tag abzuwarten. Eigentliche Lagerfeuer waren die Flammen jedoch nicht, dafür irrten sie viel zu launisch auf etwa hundert Toisen weit weg und wieder zurück, ohne einen einzigen Feuerherd für Sicherung eines Nachtlagers zu bilden.
    In der Nähe des Ubanghi schwärmen übrigens ziemlich häufig nomadisierende Stämme umher, die meist von Adamaua oder Barghimi im Westen, oder selbst von Uganda im Osten kommen. Eine Händlerkarawane wäre nicht so unklug gewesen, ihre Anwesenheit durch so viele, sich im Dunkeln umherbewegende Feuerbrände zu verrathen. Nur Eingeborne konnten sich da drüben zum Ausruhen niedergelassen haben. Und wer weiß, ob diese nicht feindliche Absichten gegen die unter der Krone der Tamarinden schlummernde Karawane hegten.
    War diese aber auch von großer Gefahr bedroht, wenn vielleicht mehrere hundert Pahuins, Fundjis, Chiloux, Baris, Denkas und andere nur den Augenblick abwarteten, sie in erdrückender Menge zu überfallen, so hatte hier – mindestens bis halb elf Uhr – noch niemand die geringste Vorbereitung zu einer Abwehr getroffen. Im Lager schliefen eben alle, Herren und Diener, und das Schlimmste, auch die Träger, die sich auf ihrem Wachposten ablösen sollten, waren in tiefen Schlaf versunken.
    Zum Glück erwachte einmal der junge Eingeborne. Ohne Zweifel hätten sich seine Augen aber sofort wieder geschlossen, wenn die Blicke des Knaben nicht nach dem südlichen Horizonte zu gerichtet gewesen wären. Unter den halbgeschlossenen Lidern hatte er zuerst die unbestimmte Empfindung von einem Lichtschein, der die finstere Nacht durchdrang. Er reckte die Glieder, rieb sich die Augen und schaute aufmerksamer hinaus. Nein, das war keine Täuschung: am Saume des Waldes bewegten sich vereinzelte Flammen hin und her.
    Llanga kam der Gedanke, daß die Karawane angegriffen werden könnte. Dabei leitete ihn mehr ein gewisser Instinct als eine wirkliche Ueberlegung, denn Raubgesellen, die ein Gemetzel und eine Plünderung im Schilde führen, wissen doch recht gut, daß ihre Aussichten auf Erfolg steigen, wenn ihnen eine Ueberraschung der Gegenpartei gelingt. Sie suchen sich also vorher versteckt zu halten, und diese hier sollten sich geradezu angemeldet haben?
    Der Knabe wollte Max Huber und John Cort nicht sogleich wecken und schlich sich deshalb lautlos nach dem Wagen. Als er den Foreloper gefunden hatte, legte er ihm die Hand auf die Schulter, weckte ihn auf und wies mit dem Finger nach den Feuerpunkten am Horizonte.
    Khamis richtete sich auf, beobachtete einen Augenblick die wandelnden Flammen und rief dann mit gellender Stimme:
    »Herr Urdax! Herr Urdax!«
    Der Portugiese, von jeher gewöhnt, sich schnell aus dem Schlafe zu reißen, war augenblicklich auf den Füßen.
    »Was giebt es, Khamis?
    – Sehen Sie dorthin!«
    Mit ausgestrecktem Arme wies er nach dem erleuchteten Waldsaume am Ende der Ebene.
    »Alle auf!« rief der Portugiese mit der vollen Kraft seiner Lungen.
    Binnen wenigen Secunden war das ganze Personal der Karawane auf den Füßen, alle aber von dem Ernste der Lage so sehr ergriffen, daß es keinem einfiel, den pflichtvergessenen Wächtern jetzt Vorwürfe zu machen. Ohne Llanga wäre das Lager jedenfalls überrumpelt worden, während Urdax und seine Begleiter in friedlichem Schlummer lagen.
    Selbstverständlich hatten sich Max Huber und John Cort, die eiligst von ihrer Lagerstatt aufgesprungen waren, dem Portugiesen und dem Foreloper angeschlossen.
    Es war jetzt ein wenig über halb elf Uhr. Tiefe Finsterniß bedeckte die Ebene auf drei Viertel ihres Umkreises im Norden, Osten und Westen. Nur im Süden funkelten die seltsamen Flammen und warfen aufflackernd lange Lichtstreifen vor sich her. Jetzt konnte man ihrer etwa

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