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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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1   Sie sind jetzt mal der Mann
    Salsa – nicht nur ein Tanz, ein Lebensgefühl, so lockte die Überschrift. Das tanzende Paar auf dem Foto der Webseite sah wirklich elegant aus, da konnte man nicht meckern. Allein schon, wie die Frau ihren Kopf in den Nacken geworfen hatte. Das musste man erst mal nachmachen. Das konnte nicht jeder. Wanda konnte das schon gleich gar nicht, jedenfalls nicht um acht Uhr morgens. Wenn sie jetzt den Kopf in den Nacken warf wie die auf dem Foto, würde er mit einem grässlichen Knacken für den Rest des Tages da hinten bleiben oder zumindest so lange, bis sie sich irgendwie zu Dr. Mauerbach geschleppt und der ihn wieder gerade gerückt hatte.
    Wanda biss von ihrem Brötchen ab und klickte sich auf der Webseite weiter. Leidenschaftlich. Geschmeidig. Temperamentvoll. Sie hielt inne. Die Leute auf den Fotos waren allesamt deprimierend jung und dünn. Und lachten so aufdringlich. Eine Schnapsidee, dieser Salsa-Kurs. Und was für Schuhe sollte sie da überhaupt anziehen? Die einzigen Schuhe, in denen sie halbwegs geschmeidig auftreten konnte, waren die Schaffellstiefel, die Stefan ihr letztes Jahr aus Australien mitgebracht hatte. »Ugg Boots, Mama. Die sind der Hit.« Erstaunlicherweise waren die Stiefel wirklich bequem, auch wenn sie sich in den klobigen Dingern immer wie ein Mammut vorkam und sie nur zu Hause anzog. Jedenfalls hatte sie keine Salsa-Schuhe. Wanda schaltete den Computer aus. Sie sollte Biggi anrufen und den Unsinn absagen. Heute Abend kam ein guter Spielfilm im Ersten, dazu könnte sie sich was Leckeres kochen. In ihrem Alter musste sie nicht mehr abends mit irgendwelchem Jungvolk zu La Bamba herumhopsen.
    Sie sah erneut auf die Uhr. Gerade mal zehn nach acht. Normalerweise hätte sie jetzt das Haus verlassen, um dann Punkt 9.00 Uhr ihren Teeladen aufzuschließen. Um den unvergleichlichen Geruch nach all den Teesorten einzuatmen – geheimnisvoll, orientalisch, fruchtig. Um die bauchigen Teekannen im Regal zu begrüßen wie gute alte Bekannte und um schließlich dem ersten zögerlichen Kunden bei der Auswahl des perfekten Tees behilflich zu sein. Beruhigend, erfrischend, anregend, je nachdem, wonach die Leute sich sehnten.
    Sie seufzte und stellte dann energisch das Frühstücksgeschirr zusammen. Das war vorbei, und das war gut so. Wie oft hatte sie in den letzten Jahren genau davon geträumt – im Bademantel, ungeschminkt und völlig stressfrei ein schönes Frühstück zu genießen, nicht zur Arbeit hetzen zu müssen und all die Sorgen um den Teeladen abladen zu können wie einen schweren Rucksack. Und jetzt, als es endlich so weit war, verwandelte sie sich in ein sentimentales altes Huhn. Dabei lag der ganze Tag noch vor ihr, es war gerade mal Viertel nach acht. Viertel nach acht … Wanda sprang wie elektrisiert auf. Wie hatte sie nur die Zeit verpassen können. Mit einem Satz war sie an der Haustür, riss sie auf und sprang mit zwei raschen Schritten durch den kleinen Vorgarten. Wenn sie den verdammten Hundebesitzer mit seinem Mistköter heute erwischte, würde sie ihn so was von zusammenstauchen. Da!
    »Kusch!«, schrie sie wütend. Es war nicht zu fassen. Da war das Vieh und hockte an genau derselben Stelle wie gestern, wie vorgestern, wie die ganze verdammte letzte Woche lang. In ihrem kleinen Steingarten! Und sie musste den Mist – im wahrsten Sinne des Wortes – dann wieder wegräumen.
    »So eine Sauerei«, rief sie laut. »Sie können Ihren Hund doch nicht einfach in fremde Gärten machen lassen!« Noch im Bademantel rannte sie auf die Straße. Wo war diese verantwortungslose Person? Der Hund, ein Dackel, lief jetzt schwanzwedelnd und ohne Eile zum Fußweg und sah sie aus braunen Hundeaugen freundlich an.
    »Hau ab!«, rief Wanda. Der Hund setzte sich zögernd in Bewegung. Auf der Straße war niemand zu sehen. Keiner, der »Fiffi, komm!« rief oder pfiff oder geistesabwesend eine Hundeleine hinter sich herschleifte und dabei Zeitung las. War dieser Köter etwa alleine unterwegs? Das wäre ja ungeheuerlich. Einen Moment lang zog sie in Erwägung, den Hund zu verfolgen, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie noch nicht mal angezogen war. Überdies ging jetzt auch noch bei ihrem Nachbarn die Tür auf. Der alte Herr Gilder kam heraus, mit Steppweste und Gummistiefeln bekleidet und mit einer Harke bewaffnet.
    Wanda raffte den Bademantel vorne zu und schenkte dem alten Mann ein schwaches Lächeln. »Morgen!«, rief sie. »Wie geht’s?«
    Der alte Gilder

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