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Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Titel: Das Dornröschen-Projekt - Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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ihm jetzt pubertär vor, sie hatten sich einundsiebzig Schritte in den Wald hineinbewegt und dem Versteck diesen kryptischen Namen gegeben, den Namen eines Schriftstellers, dem es offenbar nichts genützt hatte, von Marx gepriesen worden zu sein. Wie überernst sie gewesen waren, wie lächerlich diese symbolüberladene Beschwörung einer Vergangenheit klang, die mehr Beschwörung als Vergangenheit war. Das wusste Matti längst, es war ihm peinlich, aber es half ihm nun auch nicht, dieses elende Versteck zu finden.
    »Vielleicht sind wir schon längst daran vorbeigefahren«, klagte Twiggy. »Oder es gibt diesen Stein nicht mehr. Oder eine Wildsau hat das Zeug ausgegraben. Es ist ohnehin längst verrottet. Das ist doch alles ein Mist.«
    Eigentlich verlor Twiggy nie die Nerven, aber wenn er es tat, dann gründlich. Es war alles zu viel für ihn geworden, das musste ihm nun im Wald einfallen. Mord, Verfolgung, Bespitzelung und überhaupt ein Feind, der so unsichtbar war, wie er mächtig erschien.
    »Halt’s Maul!«, zischte Dornröschen. Sie war die Einzige, die Twiggy jetzt in den Griff bekommen konnte.
    »Mach mich nicht an!«, donnerte der.
    »Ruf doch gleich den Förster an! Was soll Robbi von dir denken!«, fügte sie blödsinnigerweise hinzu.
    Doch Twiggy schwieg nun. Matti warf ihm einen Blick zu, wie er da saß, beleidigt und schwermütig.
    Mattis Handy piepte. Er warf einen Blick auf die Anzeige.
    Ich liebe dich. L.
    Das hatte sie noch nie gesagt. Er steckte das Handy in die Tasche und spürte, wie er anfing zu schwitzen.
    Twiggy starrte böse geradeaus, Dornröschen war auf die rechte Seite gerutscht und starrte auf den Straßenrand, und Matti starrte mal auf Twiggy, mal auf den Straßenrand und dann auf Dornröschen. »Das wird nichts«, sagte er. »Wir sind schon viel zu weit gefahren.«
    »Sag ich doch«, brummte Twiggy. Immerhin, er sprach. Wenn er richtig sauer war, schwieg er wie eine Betonwand.
    »Das ist doch jetzt egal«, sagte Dornröschen betont freundlich. »Fahr noch ein bisschen.«
    Der Wagen wippte durch ein Loch, Dornröschens Stirn schlug an die Scheibe, aber sie meckerte nicht.
    Jetzt hielt auch Twiggy wieder Ausschau nach dem Stein. Matti war erleichtert, eine Twiggy-Krise hätte gerade noch gefehlt.
    Ein Reh stand auf dem Weg, wackelte mit den Ohren und guckte aufs Auto.
    »Hoffentlich hat es kein Handy dabei und ruft den Förster«, sagte Matti. Er rollte noch langsamer weiter, und das Reh hoppelte gemächlich in den Wald.
    »Da!«, sagte Dornröschen.
    Da war ein Stein, und er sah so aus wie der andere.
    »Wir sind aber nicht so tief in den Wald hineingefahren«, nörgelte Twiggy.
    Matti hielt an und stieg aus. Dornröschen folgte ihm. Matti holte den Spaten, und dann stapften sie wieder über den tiefen Boden die albernen einundsiebzig Schritte in den Wald hinein. Und während sie liefen, blitzte es in Matti auf. Ich liebe dich. L. Schon hatte er sich verzählt. Aber Dornröschen marschierte unbeirrbar weiter, dann sagte sie: »Einundsiebzig.«
    Es knackte wie ein Schuss, und die beiden erschraken. Doch dann sahen sie Twiggy, der demonstrativ durch den Wald schlenderte, als hätte er mit dem Quatsch nichts zu tun.
    Dornröschen starrte den Baum an, dann streckte sie ihren Zeigefinger nach oben und zeigte auf eine Einkerbung, genauer gesagt, auf Rindennarben, die vielleicht einmal einen Kreis gebildet haben mochten.
    »So, fünf Schritte davor«, sagte sie, lehnte ihren Rücken an den Baum und marschierte los. »Hier!« Sie ritzte mit den Füßen ein Kreuz in den Boden.
    Matti stach den Spaten ins Kreuz und drückte ihn mit dem Fuß ins Erdreich. Die Erde war schwarz und durchsetzt mit dünnen Wurzeln und Regenwürmern. Er musste nicht lange graben, bis er auf Widerstand stieß. Er grub um den Widerstand herum und legte einen kleinen Tresor frei.
    »Das Ding ist doch abgeschlossen!«, murrte Twiggy. »Jetzt müssen wir die Scheißkiste zum Auto schleppen.«
    »Erstens heißt das Hurra«, sagte Dornröschen, »wer wollte denn schon aufgeben?« Sie grinste dreckig. »Und zweitens« – sie holte ein rotes Ledermäppchen aus ihrer Hosentasche und hielt es stolz in Gesichtshöhe – »hab ich den Schlüssel dabei, ihr Schnarchnasen.« Sie lachte glockenhell, und darin steckte auch die Botschaft: Seht, ich habe mal wieder recht gehabt!
    Sie beugte sich über die Kiste und steckte den Schlüssel ins Schloss. Er ließ sich drehen, als wäre die Kiste erst neulich vergraben worden. Sie

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