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Mein mutiges Herz

Mein mutiges Herz

Titel: Mein mutiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KAT MARTIN
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1. KAPITEL
    London
    September 1844
    COVENT GARDEN MÖRDER SCHLÄGT WIEDER ZU
    Londoner Bevölkerung in Angst
    Thor überflog den Leitartikel der London Times , einen Bericht über den zweiten grausamen Frauenmord im Stadtteil Covent Garden in den letzten sechs Monaten.
    Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Leif war er kein begeisterter Leser. Seiner Meinung nach eignete sich eine Zeitung am besten dafür, Fische darin einzuwickeln. Er sah jedoch die Nützlichkeit ein, sich über das Tagesgeschehen auf dem Laufenden zu halten, deshalb befasste er sich mit dem englischen Text – eine Sprache, die er erst vor zwei Jahren nach seiner Ankunft in London begonnen hatte, zu erlernen. Zuvor hatte er auf einer kleinen Insel weit im Norden gelebt, in einer abgeschlossenen kleinen Welt, von deren Existenz nur eine Handvoll Menschen wusste.
    Unter Anleitung seines Förderers und Lehrers Professor Paxton Hart hatte er lesen und schreiben gelernt, wusste mittlerweile auch, sich einigermaßen zu kleiden und sich in der vornehmen Londoner Gesellschaft zu bewegen. Leif und seine Gemahlin waren ihm dabei gleichfalls eine große Hilfe, und allmählich gewöhnte er sich an das Leben in der Großstadt. Dennoch zog Thor es vor, sich in der freien Natur zu bewegen, statt untätig in einem Zimmer zu sitzen und ein Buch zu lesen.
    „Sie waren es also, der meine Zeitung gestohlen hat!“, fauchte eine aufgebrachte Frauenstimme hinter ihm. „Und ich suche sie schon die ganze Zeit.“ Lindsey Graham durchquerte das Büro mit eiligen Schritten und kam ihm dabei vor wie eine Wildkatze, die sich auf ihre Beute stürzt.
    Mit dem Stein des Anstoßes in der Hand stand Thor auf der Schwelle des Hinterzimmers von Heart to Heart , dem Frauenmagazin, das von seiner Schwägerin Krista Hart Draugr und deren Vater, seinem Lehrer Sir Paxton Hart, herausgegeben wurde. Es war Donnerstag, der Tag vor der Auslieferung der neuen Ausgabe, und in den Redaktionsräumen herrschte rege Betriebsamkeit.
    „Ich habe sie nicht gestohlen“, verteidigte Thor sich gegen den Racheengel, der auf ihn zugestürmt war. „Ich habe sie mir nur geliehen, weil ich etwas über diesen Mord erfahren wollte.“
    Sie funkelte ihn aus goldbraunen Augen an, mit denen sie wahrlich einer Wildkatze glich. „Es gab einen zweiten Mord?“ Er hielt ihr die Zeitung hin. „In Covent Garden“, sagte er. „Wie beim ersten Mal.“
    Lindsey nahm ihm die Zeitung aus der Hand und überflog den Artikel. Sie war eine hochgewachsene, schlanke Frau, die neben einem nordischen Hünen wie ihm jedoch zierlich wirkte. Ihr brünettes Haar schimmerte golden. Eine hübsche, zartgliedrige Person mit fein geschnittenen Gesichtszügen, aber nicht der Typ, der ihm gefallen könnte.
    Wie sein Bruder bevorzugte er üppige, vollbusige Frauen, und mit Krista hatte Leif seine ideale Lebensgefährtin gefunden. Thor hingegen hielt immer noch Ausschau nach der richtigen Frau, mit der er sein Leben teilen wollte.
    „Schon wieder ein Frauenmord“, murmelte Lindsey, den Blick auf die Titelseite gerichtet. „Erwürgt … wie beim ersten Mal. Die Polizei geht davon aus, dass es derselbe Mörder ist.“
    Lindsey Graham, die Verfasserin der wöchentlichen Kolumne Heartbeat , war eine zielstrebige und fleißige Journalistin, Eigenschaften, die Thor bewunderte, da auch er ein harter Arbeiter war. Wenn er nicht unten an den Docks die Schauermänner seines Bruders beaufsichtigte, die für Walhall Shipping arbeiteten, machte er sich in der Redaktion nützlich. Den Lohn sparte er, um sich irgendwann ein Haus auf dem Land kaufen zu können, weit weg vom Lärm und der stickigen Luft der Metropole.
    „Das hier ist neu“, fuhr Lindsey fort und steckte ihre hübsche Nase in die Zeitung. „Hier steht, die ermordeten Frauen waren Damen der Nacht.“
    „Huren“, bestätigte Thor unverblümt.
    Lindsey errötete. „Das heißt noch lange nicht, dass jemand das Recht hat, sie zu töten.“
    „Das sagte ich auch nicht.“
    Sie seufzte. „Die Leute, die in dieser Gegend leben, tun mir leid. Zwei Morde innerhalb von sechs Monaten. Die Nachbarn müssen doch ständig in Angst leben. Ich kann nur hoffen, dass die Polizei den Täter diesmal fasst.“
    „Die Zeitung schreibt, dass es bereits Spuren gibt und er bald überführt wird.“
    „Mich würde interessieren, welche Spuren sie haben.“
    Thor schwieg. In die Zeitung vertieft, trat Lindsey an ihren Schreibtisch und setzte sich. Die große Stanhope Druckerpresse stand noch still,

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