Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Kampflustig reckte sie das Kinn.
»Ich weiß«, beschwichtigte sie Rolana. »Dennoch ist es auch aus diesem Grund gut. Er kam früher zur Welt, und keiner deiner Freunde wird darüber sprechen.«
Lamina schwieg, dann erhob sie sich und legte das inzwischen schlafende Kind in seine Wiege.
»Ist es schon Zeit für das Abendessen? Dann werde ich mit dir hinuntergehen. Es wird Zeit, dass ich mich wieder mit meinen Freunden an die Tafel setze. Veronique wird über Geralds Schlaf wachen.« Sie warf noch einen letzten Blick ins Kinderbett und folgte dann Rolana hinaus in den Gang. Bis zur Treppe schwiegen die Frauen.
»Auch du bist mager und blass geworden. Hat unsere Pflege dich so deiner Kräfte beraubt? Verzeih, das ist mir bisher nicht aufgefallen.« Die Gräfin musterte Rolana aufmerksam. Diese schüttelte jedoch den Kopf.
»Nein, das hat nichts mit dir und deinem Sohn zu tun.«
»Was ist es dann? Darf ich dich fragen? Sind wir nicht zu Freunden und Vertrauten geworden?«
Die Hand bereits an der Klinke der Esszimmertür hielt Rolana inne. »Wenn ich es nur selbst wüsste«, seufzte sie. Der Schatten des Bösen lag schwer auf ihrer Seele und raubte ihr seit Tagen den Schlaf.
»Ich hoffe, ich irre mich«, murmelte sie, auch wenn sie wusste, dass dem nicht so war.
*
Astorin blieb im Eingang der Höhle stehen, seine schwarzen Augen fest auf den Schädel gerichtet, der auf einem säulengesäumten Altar in einer Wandnische lag. Rechts und links standen zwei angelaufene Kerzenständer. Selbst das rötlich flackernde Licht in den Augenhöhlen des Schädels war noch so, wie es ihn in seinen Träumen verfolgt hatte. Nichts hatte sich seit seinem letzten Besuch hier unten verändert. Wie sollte es auch! Außer ihm konnte niemand die Höhle betreten. Astorin überprüfte im Geist noch einmal seine Zauber, die ihn vor der Macht des Schädels schützen sollten, ehe er zaghaft ein paar Schritte näher trat.
Ah, da bist du ja endlich, großer Zauberer, ließ der Schädel seine spöttischen Worte in seinem Geist vernehmen.
»Auf ein paar Tage kann es dir ja nicht ankommen«, gab der Magier zurück.
Der Schädel kicherte. Oh, du bist gereizt? Hast du feuchte Hände vor Angst? Das solltest du auch, denn es wird ein spannendes Spiel
»Das ich gewinnen werde!«, rief Astorin und kam, ohne darüber nachzudenken, ein paar Schritte näher.
Wir werden sehen, gab der Schädel zurück. Doch nun sei still und öffne deinen Geist. Dann werde ich dir zeigen, wie es dir gelingen kann, die weiße Drachenfigur zu erschaffen.
Bilder begannen durch Astorins Kopf zu schwirren, verwirrende Blitze, scheinbar ohne Zusammenhang. Er spürte, wie die Konzentration an seiner Kraft zehrte, oder versuchte der Schädel schon wieder einen seiner Tricks, um ihm das Leben auszusaugen? Bald fiel es Astorin schwer, seine Schutzzauber noch aufrechtzuerhalten.
»Schluss!«, rief er und presste die Hände an die Schläfen. »Lass deine Spielchen!«
Ich spiele nicht! Du wirst Kraft brauchen, der Figur ihre Magie einzuhauchen. Wenn du jetzt schon aufgibst, dann wäre es besser, du lässt es mich an deiner Stelle tun. Wie hungrige Wölfe schlichen die Nebelfetzen seines Geistes um die Schutzhülle.
Astorin straffte die Schultern. »Nein! Mach weiter, ich werde es schaffen.«
Nun gut, wie du willst.
Mit letzter Kraft wankte Astorin aus der Höhle. Es war ihm klar, wenn der Schädel in diesem Augenblick nach seinem Leben gegriffen hätte, dann wäre es ihm gelungen. Aber anscheinend verfolgte er andere Pläne und ließ den erschöpften Magier mit dem Auftrag gehen, die nötigen Zutaten zu besorgen. Vielleicht wollte er warten, bis alles bereit war? Schon möglich, dachte Astorin, ehe er auf sein Lager und in einen traumlosen Schlaf fiel.
2
Die Macht kehrt zurück
Es war ein schöner, lauer Abend. Der erste in diesem Frühling, der dazu einlud, auch nach Einbruch der Dunkelheit noch im Hof zu verweilen. In einer Ecke hatten die Kinder der Wachen ein Feuer entzündet und tanzten um die Flammen. Die Zofe der Gräfin und zwei der Dienstboten trugen Stühle hinaus und schürten ein Kohlenbecken, um das die Gräfin und ihre Gäste Platz nahmen. Lamina übergab ihren Sohn der Zofe, die ihn ins Bett bringen sollte, und rückte sich den Schal um ihre Schultern zurecht. Sie ließ den Blick über die Freunde schweifen, die ihrem Herzen so nah standen. Links von ihr saß Rolana aufrecht in ihrem Stuhl, die Hände im Schoß ihres schlichten Kleides gefaltet. Seit
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