Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
nervösen Blick in den Spiegel und strich sein runenbesticktes Gewand glatt, dann begann er, die Wendeltreppe hinabzusteigen, an deren Ende der Zugang zur Lavahöhle lag.
*
Eine einsame Gestalt schritt den Wehrgang entlang. Sie kam an einem der Wächter vorbei, der ihr grüßend zunickte, sich jedoch nicht von der Stelle rührte und weiterhin seinen Blick über das sich verdüsternde Land schweifen ließ. Noch war er wachsam. Der Tag war noch nicht ganz zerronnen und hatte sich der Nacht noch nicht ergeben. Doch wenn der Mond sich den Wipfeln des Waldes näherte, würden die Lider längst schwer, die Beine müde und der Blick trüb geworden sein. Wenn ein Angreifer es auf Burg Theron abgesehen hatte, dann würde er die Stunde vor dem Morgengrauen wählen, um die Mauern zu erstürmen oder sich mit List Zugang zu verschaffen.
Der Wind blies den Umhang der abendlichen Wanderin auseinander und enthüllte einen schlanken Körper in einem einfachen Wollkleid. Die Frau blieb zwischen zwei Zinnen stehen und ließ wie der Wächter ihren Blick über den See, den Waldrand entlang und bis hinauf zu den Gipfeln der Silberberge schweifen. Alles war ruhig. Niemand würde die Burg angreifen. Es herrschte Friede in den Westlanden des Thyrinnischen Meeres.
Und doch...
Sie hörte die Schritte hinter sich, drehte sich aber nicht um. Sie wusste, dass es Cay war, der über sie wachte und der ihr hinterherkam, sobald sie sich zu lange von den anderen entfernte. Seine unerschütterliche Treue gab ihr das warme Gefühl von Geborgenheit, und dennoch regte sich auch ein wenig Unmut in ihr. Es verlangte sie danach, allein zu sein. Musste sie denn immer bei tiefer Nacht aus der Burg schleichen, wenn sie bei ihrem Gott sein wollte? Bei Soma, dem Gott des Mondes.
»Hier bist du«, erklang die Stimme des sehnigen Kämpfers. »Ist dir nicht kalt?«
Wie zum Trotz warf Rolana die Kapuze ihres Umhangs ab, so dass das letzte Licht des Tages sich in ihrem schwarzen Haar spiegelte. Sie hatte die Locken in einem strengen Knoten gebändigt.
»Wir haben Frühling.«
»Mag sein, die Nächte sind aber immer noch kalt«, brummelte er. Er hob die Hand, als wollte er die Kapuze wieder über ihren Kopf ziehen, ließ sie dann aber sinken, ohne Rolana zu berühren.
»Nun, bist du heute zur Nachtwache eingeteilt?«, versuchte Cay einen leichten Ton anzuschlagen. »Ich wusste gar nicht, dass man eine zusätzliche Schicht beschlossen hat. Droht uns denn Gefahr?«
Obwohl sein Ton deutlich sagte, dass er sie nur necken wollte, blieb Rolana ernst. Mit gerunzelter Stirn sah sie über den See, dessen Wasser nun glatt und schwarz unter ihnen lag.
»Vielleicht«, sagte Rolana leise. »Das Unheil ballt sich am Horizont zusammen. Ich kann es spüren.«
Cay folgte ihrem Blick zu dem wolkenverhangenen Himmel. »Ja, du hast Recht, es könnte heute Nacht noch ein Gewitter geben.«
Rolana seufzte. Wollte er sie absichtlich nicht verstehen? »Kein normales Gewitter könnte mir meine Ruhe rauben!«, sagte sie schärfer, als sie es beabsichtigt hatte, doch Cay schien nicht gekränkt. Er trat einen Schritt näher und legte ihr dann zögernd einen Arm um die Schulter.
»Was fürchtest du? Ich denke, Covalin ist in den Vulkanbergen vor Astorins Verfolgung sicher. Er steht unter dem Schutz des Goldenen! Oder denkst du, unser nichtsnutziger kleiner Drache hat wieder etwas angestellt?«
Rolana schüttelte den Kopf. Sie widerstand dem Drang zurückzuweichen und Cays Arm abzustreifen. Sie mochte den großen, kräftigen Kämpfer mit dem stets zerzausten Haar sehr gern. Ja, vielleicht liebte sie ihn sogar. Warum nur konnte sie seine Nähe kaum mehr ertragen?
Ihre Hand umfasste das gläserne Drachenamulett, das ihre Verbindung zu dem weißen Drachen war. »Nein, ich denke, mit Covalin ist alles in Ordnung. Das Amulett schweigt«, sagte sie langsam. »Und dennoch. Es ist diese Ahnung, tief in mir, die mir keine Ruhe lässt. Etwas geht vor sich. Ich kann es nicht greifen, doch ich weiß, dass böse Kräfte am Werk sind, die Leid und Elend über die Westlande bringen werden – und vielleicht nicht nur über unser Land.«
Cay öffnete den Mund, so als wollte er ihre Bedenken als überspannte Phantasie beiseitewischen, schloss ihn jedoch wieder, ohne ein Wort zu sagen. Schweigend standen sie beisammen und sahen den Gewitterwolken zu, die, von einem stürmischen Wind getrieben, den Sternenhimmel Stück für Stück verschlangen, bis sie den See und die Burg erreichten. Als die ersten
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