Das dunkle Fenster (German Edition)
den kleinen Parkplatz, der zum Kloster gehörte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, zu halten und zurückzufahren und noch einmal die ausgetretenen Stufen hochzusteigen. Er verwarf es, aber dieses Mal ohne Bitterkeit. Die Straße schraubte sich höher in die Berge, die Bäume wichen zurück. Er ließ ein Fenster herunter. Die Luft war weich und klar und legte sich wie Balsam auf seine Sinne. Seine Gedanken kreisten, aber sie waren nicht mehr wund und zerrissen, wie zu dem Zeitpunkt, als er Berlin verlassen hatte.
Carmen hatte sich nicht wieder gemeldet.
Vielleicht war es besser so. Zu viele Lügen, zu viele Missverständnisse. Dennoch hatte sie etwas in ihm aufgebrochen, und nachdem der Schmerz abgeklungen war, spürte er, dass sie einen Teil von sich zurückgelassen hatte.
Seine Maschine nach Rom ging in vierundzwanzig Stunden. Er hatte ohne Schwierigkeiten einreisen können, und er glaubte nicht, dass es beim Abflug Probleme geben würde. Seit er Berlin verlassen hatte, hatte er niemanden mehr auf seiner Fährte entdecken können. Von Rom aus gab es eine Zugverbindung nach Vibo Valentia. Es würde noch eine Zeit dauern, bis die Wunden vernarbt waren, die am Körper und die an der Seele. Lange hatte er über ein neues Refugium nachgedacht. Einen Platz, weit entfernt von den Brennzentren des Lebens, einen anonymen Ort. Und dann hatte er die Überlegung verworfen.
Zu viele lose Enden.
Er hatte an Francesco gedacht, an das, was der Italiener in Innsbruck gesagt hatte. Über Anna Tiépola, aus deren Leben er über Nacht verschwunden war. Seine Existenz bestand nur aus Fassaden. Und wenn er ging, ließ er lose Enden zurück. Anstatt sich ein neues Loch zu suchen, in das er sich verkriechen konnte, beschloss er, die losen Enden aufzuräumen.
Ein paar zumindest.
Er würde in Vibo Valentia beginnen.
Bei Anna Tiépola.
Bei seiner Frau.
Nachwort
Camp David II
Vom II. bis 25. Juli 2000 fand in Camp David, dem Sommersitz des US-amerikanischen Präsidenten, ein Gipfel zwischen Bill Clinton, Jassir Arafat und Ehud Barak statt, mit dem Ziel, den Friedensprozess zwischen Israel und Palästina weiter voranzutreiben.
Ehud Barak machte ein Angebot auf die Rückgabe von – nach israelischen Angaben – zuletzt 97% der besetzten Gebiete (andere Quellen sprechen von 80%). Davon ausgenommen waren einige israelische Siedlungsblöcke. Aus palästinensischer Sicht hätte dies jedoch ein durch exterritoriale Straßen und die weiterhin israelisch kontrollierten Gebiete stark zerschnittenes Land bedeutet. Die Palästinenser bezeichneten Baraks Angebot deshalb als demütigend.
Der Gipfel führte zu keinem Ergebnis.
Das Scheitern der nachfolgenden Verhandlungen führte in Israel letztlich zu einem Rechtsruck in der öffentlichen Meinung und zu einer Ablösung Ehud Baraks durch seinen Nachfolger Ariel Scharon im Premierministeramt nach Sonderwahlen am 06.März 2001.
Das Jüdische Museum in Berlin
Der Neubau des Architekten Daniel Libeskind wurde Anfang des Jahres 1999 fertig gestellt und – noch im Leerzustand – für Besucher geöffnet. Die eigentliche Eröffnung des Jüdischen Museums fand jedoch erst am 09.September 2001 statt. Im Buch habe ich mir die Freiheit genommen, dieses Datum auf den 26. Januar 2001 vorzuverlegen.
Selbstverständlich handelt es sich bei dem US-Senator Jonas Levi Rosenfeldt um eine fiktive Figur. Ein Attentat wie beschrieben hat es bei der Ausstellungseröffnung nicht gegeben.
Die Handlung des Buches wie auch alle handelnden Personen sind frei erfunden und basieren nicht auf realen Vorbildern.
Die Autorin
Andrea Gunschera, geboren 1974 in Deutschland, studierte Innenarchitektur und Industriedesign und arbeitete danach viele Jahre in der Medienindustrie. Heute ist sie als Managerin für ein IT-Unternehmen tätig. Mit dem Roman ‚Das dunkle Fenster’ legt sie ihr Debüt als Thrillerautorin vor; ein Nachfolger ist in Vorbereitung. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in Los Angeles, Kalifornien.
www.andreagunschera.com
Weitere Kostenlose Bücher