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Das Dunkle Muster

Das Dunkle Muster

Titel: Das Dunkle Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
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daß Sie ein Mitglied der Besatzung werden, aber nicht auf die einfache Tour. Ich habe ebenso meine Prinzipien wie Sie.«
    Er deutete mit dem Daumen auf Schwartz und Hardy. »Nehmen Sie diese beiden. Sie kommen aus dem neunzehnten Jahrhundert. Der eine ist Österreicher, der andere stammt aus Neu-England. Aber sie haben mich nicht nur als Kapitän akzeptiert, sie sind auch gute Freunde. Wer schließt aus, daß sie irgendwo tief verborgen im Unterbewußtsein doch noch denken, daß ich nichts anderes als ein Nigger und Emporkömmling bin. Aber sie würden jedem, der mich in dieser Weise anreden würde, den Wanst durchwalken. Stimmt’s, Leute?«
    Die anderen nickten.
    »Einunddreißig Jahre Flußwelt verändern einen Menschen. Vorausgesetzt, er ist fähig, das zu bemerken. Was sagen Sie dazu? Soll ich Ihnen die Verfassung Parolandos aufsagen?«
    »Natürlich. Bevor ich mich entscheide, würde ich gerne wissen, auf was ich mich einlasse.«
    »Sie wurde von dem großen Sam Clemens formuliert, der uns auf seinem Schiff, der Mark Twain, vor einem Jahr verließ.«
    »Auf der Mark Twain! Halten Sie das nicht für ziemlich egoistisch?«
    »Der Name wurde aufgrund einer Abstimmung gewählt. Sam protestierte dagegen, na ja, sehr stark wohl nicht. Aber Sie haben mich unterbrochen. Es existiert das ungeschriebene Gesetz, daß man Kapitäne nicht unterbricht. Aber kommen wir zur Sache: Wir, das Volk von Parolando, erklären hiermit…«
    Während Firebrass die Verfassung aufsagte, kam es weder zu einem Versprecher noch zu irgendwelchen Stockungen. Das beinahe totale Nichtvorhandensein des geschriebenen Worts hatte die Bevölkerung dieser Nation dazu gezwungen, sich hauptsächlich auf das Gedächtnis zu verlassen. Eine Eigenschaft, über die früher lediglich Schauspieler und Rezitatoren verfügt hatten, war so in Allgemeinbesitz übergegangen.
    Während Firebrass sprach, wurde der Himmel heller und heller. Der Nebel sank zu Boden, bedeckte kaum noch ihre Knie. Aber noch immer war der gesamte Talboden mit dem bedeckt, was aus der Ferne wie Schnee aussah. Die niedrige Hügellandschaft, die sich an die Uferebenen anschloß, war jetzt zu erkennen. Das hohe Gras, die Büsche, Eisenbäume, Eichen, Pinien, Eiben und Bambusgewächse wirkten nun nicht länger wie eine japanische Federzeichnung, nebelhaft, irreal und weit entfernt. Die großen Blüten der Lianen, die an den Eisenbäumen wuchsen, begannen Farbe anzunehmen. Wenn die Sonne auf sie traf, würden sie in satten Rot-, Grün-, Schwarz-, Weiß- und Gelbtönen leuchten.
    Die im Westen liegenden Steilhänge waren aus blauschwarzem Fels, auf dem riesige Felder bläulichgrüner Flechten wucherten. Hier und dort ergossen sich silbern leuchtende kleine Wasserfälle von den Bergwänden herab in die Tiefe.
    All dies war nichts Neues für Jill Gulbirra, aber trotzdem erwachte jeden Morgen in ihr das gleiche unerklärliche Gefühl der Verwunderung. Wer hatte dieses viele Millionen Kilometer lange Flußtal konstruiert? Und zu welchem Zweck? Und wie und warum waren sie und die schätzungsweise sechsunddreißig Milliarden anderen Menschen auf diesem Planeten zu einem neuen Leben erweckt worden? Jeder, der zwischen zwei Millionen Jahren vor Christi und dem Jahr 2008 gelebt hatte, schien von den Toten auferstanden zu sein. Die Ausnahme bildeten lediglich Kinder unter fünf Jahren, die geistig Zurückgebliebenen und die unheilbar Geisteskranken.
    Wer waren die Wesen, die für all dies verantwortlich waren? Welche Gründe hatten sie dazu veranlaßt?
    Es gab Gerüchte und Legenden. Manche waren seltsam, andere hingegen nicht nur beunruhigend, sondern auch furchterweckend. Man sprach von Leuten, die unter den Wiedererweckten aufgetaucht waren, obwohl sie nicht zu ihnen gehörten; rätselhaften Wesen, die man unter anderem als >Die Ethiker< bezeichnete.
    »Hören Sie mir zu?« fragte Firebrass. Jill stellte fest, daß er sie anstarrte. »Wenn Sie wollen, daß ich das, was Sie gesagt haben, wiederhole, brauchen Sie es nur zu sagen«, erwiderte sie.
    Natürlich stimmte das nicht ganz, aber das, was ihrer Meinung nach von Wichtigkeit war, war ihr – auch wenn sie Firebrass nur mit einem Ohr zugehört hatte – nicht entgangen.
    Die Leute kamen jetzt aus ihren Hütten, reckten sich, husteten, zündeten sich Zigaretten an, steuerten auf die bambuswandigen Latrinen zu oder gingen, ihre Gräle in den Händen, zum Flußufer hinunter. Manche waren nur mit einem Lendenschurz bekleidet, andere von Kopf bis Fuß

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