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Das Dunkle Muster

Das Dunkle Muster

Titel: Das Dunkle Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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Kräne sie und legen sie in gasverbrennende Öfen, wo sie allmählich wieder erhitzt werden. Von dort aus kommen die Barren dann ins Walzwerk.
    Als ich dort arbeitete, stellte ich mir vor, jeder dieser Barren repräsentiere eine Seele. Verlorene Seelen, den Flammen des Fegefeuers ausgesetzt. Man legte sie zuerst eine Weile ins Fegefeuer und brachte sie dann an einen anderen Ort, wo sie für den Himmel in eine bestimmte Form gepreßt wurden. So wie die großen Walzen die Barren verarbeiteten, sie formten und ihrer Unreinheit entledigten, indem man sie an den Enden abschnitt, so, glaubte ich, würden auch die Seelen in eine Schablone gepreßt und gereinigt werden. Allerdings hat das wenig mit dem Thema unserer Unterhaltung zu tun – oder vielleicht doch?
    Jedenfalls stand ich eines Tages an der gewaltigen offenen Tür des Gebäudes und ruhte mich ein wenig aus. Ich warf einen Blick über die Öfen. Ich weiß nicht mehr, an was ich damals dachte. Möglicherweise fragte ich mich, wie lange ich diesen Beruf, der nur aus harter Arbeit und geringer Bezahlung bestand, noch durchhalten würde. Vielleicht dachte ich auch darüber nach, ob aus mir wohl jemals ein erfolgreicher Schriftsteller werden könnte.
    Obwohl man bis dahin alle meine Geschichten abgelehnt hatte, konnte ich doch einige ermutigende Briefe verschiedener Redakteure vorweisen. Whit Burnett zum Beispiel, der Redakteur eines hochangesehenen, aber leider schlecht bezahlenden Magazins namens Story, hätte zweimal beinahe Material von mir angekauft, aber jedes Mal war seine Frau in bezug auf mein Können anderer Meinung, und so mußte er sie ablehnen.
    Jedenfalls stand ich da und musterte die abgrundtiefe Häßlichkeit meiner Umgebung; die Situation war weder dazu geschaffen, vergnügliche Gedanken noch einen mystischen Zustand hervorzurufen.
    Ich war ziemlich abgeschlafft, und die Eisenbahnschienen, die über den Hof führten, der graue Metallstaub, der jeden Fleck auf dem Fabrikgelände bedeckte, das gewaltige Wellblechgebäude, in dem sich die Hochöfen befanden, der Rauch, den der Wind tief auf den Boden niederdrückte, der übelkeitserregende Geruch, der über allem lag – alles war wie geschaffen, einen in Depressionen versinken zu lassen.
    Und dann, ganz plötzlich, unvorhersehbar, schien sich all das zu ändern. Im Bruchteil einer Sekunde. Ich will damit keinesfalls sagen, daß aus der Häßlichkeit der Umgebung mit einem Schlag Schönheit wurde. Sie war durchaus noch genauso grau und abstoßend wie zuvor. Aber irgendwie wurde mir plötzlich bewußt, daß das Universum in Ordnung war und alles gut gehen würde. Ich sah es nun aus einer veränderten Perspektive. Laß es mich so sagen: Es war, als bestünde das Universum aus einer unendlichen gläsernen Mauer. Die Glassteine waren beinahe – aber nicht ganz – unsichtbar. Ich konnte ihre Ecken erkennen, auch wenn sie nur verschwommen wahrnehmbar waren.
    Man hatte die Glassteine so aufgebaut, daß ihre Oberflächen unebenmäßig schienen. Als sei Gott ein betrunkener Maurer. Aber dann, als sich mein Blickwinkel änderte, wurden die Steine eben. Die Ordnung war wieder zurückgekehrt, die göttliche Ordnung und Schönheit. Das kosmische Gebäude war nicht länger mehr eine schiefe Struktur, die jeder kosmische Bauinspektor abgelehnt hätte.
    Ich fühlte mich erhaben und sah einen Moment lang in die Grundstruktur der Welt. Ich sah durch die Tünche, die man auf die Steine aufgetragen hatte, um die Mauer glatt und eben zu machen.
    Ich wußte, ich wußte wirklich, daß das Universum richtig funktionierte. Und ich auch, das heißt, ich wußte, daß meine Position in ihm stimmte. Ich gehörte dazu. Obwohl ich ein lebendes einzelnes Individuum war, gehörte ich doch zu diesen gläsernen Bausteinen, war einer der ihren und befand mich zwischen ihnen am richtigen Platz.
    Genauer gesagt, mir wurde plötzlich bewußt, daß auch ich begradigt worden war, und zwar durch und durch. Bis zu diesem Augenblick hatte ich stets geglaubt, deplaziert zu sein und mit allen anderen nicht auf einer Ebene zu stehen. Aber wie konnte ich das sein? All die Einzelstücke, all die Glasbausteine waren gleichermaßen uneben gewesen.
    Und das war mein Irrtum. Alles war an seinem Platz. Es war mein Blickwinkel, oder besser, meine Einstellung zu den Dingen, die sich geändert hatte. Ich war vom üblichen Weg abgekommen, das war alles.«
    »Und wie lange«, fragte Nur, »dauerte dieser Zustand an?«
    »Ein paar Sekunden lang. Aber ich fühlte

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