Das Dunkle Muster
zu behalten. Na ja, es war ein irdischer Freund, der mich darauf brachte. Er war der Meinung, dieses Gedicht sei eines der wenigen metaphysischen Werke, auf die die Menschheit mit Recht stolz sein könne. Er fragte mich, ob wir Arkturier etwas Gleichwertiges aufzuweisen hätten.«
»Das hat er doch nicht ernst gemeint?« fragte Alice.
»Ich glaube, doch.«
Burton schüttelte den Kopf. Er selbst hatte nicht nur ungeheuer viel gelesen, sondern besaß außerdem noch ein beinahe fotografisches Gedächtnis. Obwohl er neunundsechzig Jahre auf der Erde verbracht hatte, Monat hingegen der irdischen Wirklichkeit lediglich von 2002 bis 2008 teilhaftig geworden war, hatte der Arkturier ein Wissen angesammelt, mit dem kein menschliches Wesen konkurrieren konnte.
Da es Zeit wurde, sich wieder an die Arbeit zu begeben, endete die Konversation ziemlich rasch. Trotzdem hatte Burton Alices versteckten Angriff nicht vergessen. Als sie am Abend zu Bett gingen, kam er darauf zurück.
Sie maß ihn mit einem Blick aus ihren großen, dunklen Augen, als befände sie sich bereits auf dem Rückzug in eine andere Welt. Wenn er sie direkt angriff, zog sie sich beinahe automatisch zurück, was nur noch mehr dazu beitrug, daß Burtons Wut bis zur Weißglut angeheizt wurde.
»Nein, Dick, ich wollte dich nicht beleidigen«, sagte sie. »Zumindest nicht bewußt.«
»Aber unbewußt, nicht wahr? Das ist keine Entschuldigung. Du kannst mir nicht damit kommen, daß du sagst, dies läge an einem Teil von dir, der nicht deiner Kontrolle untersteht. Was dein Unterbewußtsein denkt, spiegelt ebensoviel von dir selbst wieder wie dein Bewußtsein. Es ist genauso schlimm. Dein Bewußtsein kannst du steuern – aber das, was du wirklich denkst, ist das, womit sich dein Unterbewußtsein beschäftigt.«
Burton lief auf und ab.
Im matten Schein des Feuers sah sein Gesicht aus wie das eines zornigen Dämons.
»Isabel war im Gegensatz zu dir beinahe unterwürfig mir gegenüber, aber sie fürchtete sich keinesfalls, in einer Diskussion mit mir ihre Meinung zu sagen, wenn sie der Ansicht war, ich ginge einen falschen Weg. Aber du… du frißt alles in dich hinein, sagst keinen Ton. Und selbst wenn du kurz vor der Explosion stehst, hältst du dich noch zurück. Das ist viel schlimmer.
Es ist nichts gegen eine funkenstiebende Schlacht der Argumente einzuwenden. Eine harte Auseinandersetzung, und sei sie so stark wie ein Wirbelsturm, reinigt die Atmosphäre. Das Schlimme an dir ist, daß man dich dazu erzogen hat, eine Lady zu sein. Selbst wenn du verärgert bist, darfst du auf keinen Fall deine Stimme erheben. Du mußt ruhig sein, kühl und stets selbstbeherrscht. Aber dennoch ist auch in deinem Kopf das schattenhafte Urwesen, jenes Erbe unserer äffischen Vorfahren, und rüttelt an seinen Käfigstäben. Es ist das Unterbewußtsein, jenes Fleckchen in deinem Gehirn, das du selbst bist und das an dir reißt. Und du weigerst dich, es zur Kenntnis zu nehmen.«
Alice verlor plötzlich ihren träumerischen Blick und schrie: »Du bist ein Lügner! Und laß gefälligst deine Frau aus dem Spiel, wenn du mit mir sprichst! Wir haben uns vorgenommen, dem anderen nie mit Vergleichen aus der Vergangenheit zu kommen, und doch tust du das ständig, wenn du mich in Wut bringen willst! Es stimmt einfach nicht, daß ich keine Leidenschaft zeigen kann. Gerade du solltest das wissen, und damit meine ich nicht nur das Bett. Ich habe einfach keine Lust, mich über jedes Wort zu erregen. Wenn ich durchdrehe, dann deswegen, weil die jeweilige Situation danach ist, wenn es sich lohnt, wütend zu werden. Du hingegen… bist nahezu ständig in Rage!«
»Das ist eine Lüge!«
»Ich lüge nicht!«
»Laß uns zum Kern der Sache zurückgehen«, sagte Burton. »Welche Vorbehalte hast du gegen meine Fähigkeiten als Kommandant?«
Alice biß sich auf die Unterlippe. Dann sagte sie: »Es hat nichts damit zu tun, wie du mit den Leuten umgehst oder das Schiff kommandierst. Was diese Dinge angeht, kann ich nur sagen, daß du sie großartig erledigst. Nein, was mich ärgert, ist, wie wenig du dazu in der Lage bist, das Kommando über dich selbst zu führen.«
Burton setzte sich hin und sagte: »Na, komm schon. Über was redest du eigentlich?«
Sie kam auf ihn zu und lehnte sich ihm so nahe entgegen, daß ihre Gesichter einander beinahe berührten.
»Erstens bist du nicht in der Lage, länger als eine Woche an einem Ort zu verbringen. Du wirst schon nervös, wenn wir uns drei Tage irgendwo
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