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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Schlaftrunkenheit verflog. Heute würde die halbe Gemeinde in der Kirche sein und alles für den Zirkus vorbereiten, den der jährliche Besuch des Bischofs bedeutete. Sie sollte dort sein. Andererseits … Der Rettungsdienst brauchte sie. Und durch die Wälder zu streifen ist allemal angenehmer, als Servietten zu zählen und Silber zu putzen, flüsterte eine verräterisch verführerische Stimme in ihrem Innern.
    »Sicher, ich kann«, sagte sie. »Wo sollen wir uns treffen?«
    »An einem Ort namens Haudenosaunee.«
    »Was ist das? Eine Stadt?«
    »Nee, ein alter Besitz. Was man ein großes Camp nennt. Innerhalb der blauen Grenze.«
    »Der blauen Grenze?«
    »Innerhalb der Grenzen des Adirondack State Park.« Huggins klang, als bereute er nicht zum ersten Mal, sie angerufen zu haben.
    Sie rollte sich aus dem Bett. Auf ihrem Nachttisch lagen Block und Stift. »Erklären Sie mir den Weg«, sagte sie. »Ich komme, so schnell ich kann.«

5:15 Uhr
    Ed Castle saß im Dunkeln. Es gab eigentlich keinen Grund dafür. Er hatte sich aus dem dunklen Schlafzimmer geschlichen, um seine Frau nicht zu wecken, aber nachdem die Tür einmal geschlossen war, hätte er die Flurbeleuchtung einschalten können. Oder eine der Lampen im Wohnzimmer, als er den Waffenschrank aufgeschlossen und sich eines der Gewehre unter den Arm geklemmt hatte.
    Vielleicht lag es an der jahrelangen Gewohnheit, im Winter so früh aufzustehen, bereits unterwegs, ehe seine Familie erwachte oder die Sonne aufging. Während er auf Zehenspitzen an den Türen vorüberschlich, die früher zu den Schlafzimmern seiner Töchter geführt hatten, spürte er ein Ziehen im Herzen wie von einem Haken aus der Vergangenheit, und er wünschte sich, die Türen noch einmal zu öffnen, um sie im Schlaf zu betrachten, ganz seidiges Haar und gelöste Glieder.
    In der Küche hatte er Kaffee aufgesetzt und die Thermoskanne im grünen Schein der Mikrowellenuhr ertastet. Er dachte, er würde vielleicht doch Licht brauchen, um die Schachtel mit Patronen zu finden, die er hinter Suzannes Backformen im obersten Regal versteckt hatte, aber es ging auch so. Nun saß er in der Dunkelheit und dachte über sein Leben nach, das, wie ihm schien, Winter für Winter, Baum für Baum, verronnen war, gekennzeichnet von Kettenfahrzeugen und einem vernarbten Pfad in den Wald. Der zu einem Ort führte, den er nicht sehen konnte.
    Das Licht ging an, und er schoss in seinem Stuhl hoch. Suzanne stand in ihrem Veloursmorgenrock im orangegoldenen Schein der Hängelampe, die grau werdenden Haare zerzaust. »Warum sitzt du hier ganz allein im Dunkeln, um Himmels willen?« Sie trat auf ihn zu, ihre Pantoffeln schlurften über das Linoleum. »Es war doch kein Feueralarm, oder?« Ed war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr von Millers Kill.
    »Nein.« Er zuckte die Schultern. »Ich habe daran gedacht, wie es war, als die Mädchen noch klein waren. Damals waren das meine einzigen ruhigen Minuten.«
    »Nun, du hast gute Chancen, das noch einmal zu erleben.« Sie ging hinüber zur Arbeitsfläche und holte ihre Kaffeetasse aus dem Schrank. »Ich passe auf Bonnies Jungs auf, während sie diesen Nähauftrag fertigstellt, und Becky kommt übers Wochenende nach Hause.«
    Er grunzte. Sie hielt ihm die Kanne hin, und er hob seinen Becher. »Kommt sie hoch, um ihre Schadenfreude zu genießen?«
    »Lass das«, erwiderte Suzanne scharf. »Sie hat dich nicht gezwungen, das Geschäft zum Verkauf anzubieten. Du kannst die Adirondack Conservancy Corporation nicht zum Sündenbock für alles machen. Es war deine Entscheidung.«
    »Die ich gar nicht erst hätte treffen müssen, wenn die ACC nicht geplant hätte, mir die Lizenz zum Fällen wegzunehmen.« Er steckte die Nase in seinen Kaffeebecher. »Ich kann nicht fassen, dass meine Tochter zu den verdammten Baumknutschern übergelaufen ist.«
    Suzanne setzte sich an den Tisch. »Das ist deine eigene Schuld. Du hast sie schon mit raus zum Schlagen genommen, bevor sie sich selbst die Schuhe zubinden konnte.«
    Er lächelte schief. »Du hast dich immer furchtbar darüber aufgeregt.«
    »Eine Vierjährige hat in einem Holzfällerlager nichts verloren.«
    Er lachte. »Erinnerst du dich noch an ihre Wutanfälle, wenn sie nicht mitdurfte?«
    »Hm.« Suzanne blickte ihn über den Rand ihrer Tasse vielsagend an. »Und jetzt ist sie zu einer Frau herangewachsen, die Wälder liebt, jähzornig ist und offen ihre Meinung sagt – und du kannst dir nicht vorstellen, von wem sie das hat.« Sie

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