Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
waren jetzt seit sechs Monaten zusammen. Sie war erst sechzig und rein optisch auf süße zwanzig herunterrejuveniert. Dass sie in ihrem Alter bereits geistig migrierte sprach nur dafür, wie unsicher sie war. Für seinen ganz besonderen Charme war sie jedenfalls leichte Beute. Er wusste nur zu gut, wie seine Liebesbeteuerungen und Hilfeversprechen auf sie wirkten. Vermutlich würde er dieses rücksichtslose Jagdverhalten zusammen mit anderen unangemessenen Charaktereigenschaften ablegen müssen, bevor er wirkliche Higher-Staatsbürgerschaft erlangte. Aber bis dahin war Janine eine ganz angenehme Gefährtin. Wenngleich die Sol-Barriere all ihre Ängste zurückgebracht hatte, wohingegen das Ereignis seine eher lustbetonte Seite hatte wiederaufleben lassen.
Ihre Augen waren rot gerändert, auch wenn es noch nicht zu Tränen gekommen war. Die dichte Masse ihres gelockten, kastanienbraunen Haars hing schlaff herunter und verbarg ihr herzförmiges Gesicht. Sie sah ihn mit einem so hilfebedürftigen Blick an, dass er fast dahingeschmolzen wäre. Im Gegensatz zu denen aller anderen strömten Janines Emotionen ungehindert ins Gaiafield und offenbarten eine verzweifelt nach Trost suchende Seele.
»Sie schaffen's nicht durch die Barriere«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Die Navy laboriert jetzt schon seit Stunden herum. Inzwischen sind Forschungsschiffe da, die versuchen sollen, die Zusammensetzung zu analysieren.«
»Die werden sich schon irgendwas einfallen lassen, da bin ich mir sicher.«
»Aber was? Ohne ANA sind wir verloren.«
»Wohl kaum. Ohne den Zweiten Träumer kommen die Accelerators nicht in die Leere.«
»Über kurz oder lang kriegen sie sie«, jammerte Janine. »Sieh dir doch an, was sie schon alles unternommen haben.«
Laril konnte sich einen Kommentar nur schwer verkneifen. Stattdessen strich er sich mit der Hand übers Kinn und stellte fest, dass es voller Bartstoppeln war. Araminta hat sich darüber immer beschwert. Ich brauch dringend 'ne Dusche und saubere Sachen. »Ich bin gleich mal weg.«
»Was? Warum?«
»Muss mich mit jemandem treffen, einem alten Freund.«
»Hast du sie noch alle?«, protestierte sie, während in ihrem Gesicht Entrüstung mit Angst zu kämpfen schien. »Heute? Kapierst du's eigentlich nicht? Sie haben ANA eingesperrt.«
»Der größte Triumph für sie wäre es, wenn sie es schaffen würden, unser Leben zu verändern. Ich werde so weitermachen wie bisher. Alles andere würde ihrem Sieg nur Vorschub leisten.«
Irritiert sah Janine ihn an, in ihren Gedanken herrschte ein einziger Aufruhr. Mehr als alles andere wollte sie an ihn glauben, wünschte sie sich, dass er recht hatte. »Darüber hab' ich noch nicht nachgedacht«, entgegnete sie kleinlaut.
»Schon in Ordnung.« Laril legte ihr seine Hand in den Nacken und küsste sie. Halbherzig erwiderte sie seinen Kuss. »Siehst du?«, sagte er sanft. »Normalität. Das ist der beste Weg voran.« Die Aussicht, Kontakt zu einem Fraktionsagenten aufzunehmen und zu einem der großen galaktischen Strippenzieher zu werden, machte ihn unheimlich scharf.
»Ja«, sagte sie nickend. Ihre Arme schlangen sich um seine Hüften. »Ja, das möchte ich. Ich möchte ein normales Leben.«
Laril checkte die Uhrfunktion in seinem Exosicht-Display. Es blieb gerade noch genug Zeit.
Sanft glitt die Taxikapsel aus dem gewölbten Einflugtor des Hangars, der den gesamten fünfundsiebzigsten Stock des Bayview Towers einnahm. Laril lehnte sich in das Sitzpolster zurück und fühlte sich ganz obenauf. Besser kann 's nicht werden, niemals.
Die Direktflugzeit zwischen dem Bayview Tower und dem Jachal-Stadion betrug allenfalls einige Minuten. Doch Laril hatte nicht die Absicht, geradewegs dorthin zu fliegen. Solange er sich hinsichtlich der Echtheit des Custodian-Repräsentanten nicht absolut sicher war, wollte er kein Risiko eingehen. Also flog er zuerst einen Jachthafen an, dann ein Einkaufszentrum, die Städtische Oper, das Stadtmuseum, eine Handwerksverbandskammer.
Zwölf Zielorte, nachdem es den Turm verlassen hatte, ging das Taxi senkrecht auf das Stadion herunter. Von Larils Blickwinkel sah es aus, als ob er auf einen kleinen Vulkan herabsinke. Die äußeren Flanken des länglichen Kegels waren in eine abfallende Parklandschaft verwandelt worden, mit Bäumen und Rasenflächen und mäandernden Wegen. Sogar ein paar Bächlein, die zwischen einer Reihe von Teichen hangabwärts plätscherten, waren zu sehen. Auf der Innenseite der Kraterwände
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