Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
waren, und obwohl ich auch noch die Vorhänge zuzog, fühlte ich mich verwundbar und ausgeliefert.
5. Kapitel
A ls ich gebadet hatte und wieder angezogen war – ich würde bald waschen müssen, wenn ich weiterhin in dem Tempo meine Kleider wechselte, denn ich besaß nicht viele –, setzte ich mich aufs Bett und versuchte, die Situation einigermaßen nüchtern zu betrachten.
Grieve hatte sich verändert. Seine Augen verfolgten mich noch immer, und ich verstand einfach nicht, was passiert sein mochte. Und er hatte den Indigo-Hof erwähnt. Am schlimmsten jedoch war der Stachel seiner Zurückweisung. Würde er mir je vergeben? Und noch wichtiger: Würde ich diesen neuen Grieve, der viel grausamer und ruppiger zu sein schien, lieben können? Würde ich es denn überhaupt wollen?
Wir machten uns auf den Weg, um den Anwalt im Diner zu treffen, und wir nahmen Favonis, da Rhiannon zu aufgewühlt zum Fahren war und Leo gern einmal in meinem Pontiac GTO unterwegs sein wollte. Unter anderen Umständen hätte mich das zum Lächeln gebracht, aber nach allem, was heute schon passiert war, war mir eigentlich nicht nach einem Fantreffen für Autoliebhaber.
Als wir auf den Parkplatz einbogen, sah ich mich nervös um, aber ich konnte keine mysteriösen Wesen ausmachen. Gestern Abend war ich hier um mein Leben gelaufen, heute war es ruhig und wirkte fast friedlich.
Nacheinander betraten wir das Restaurant, und Rhiannon nickte einem Mann Mitte vierzig in einer der Nischen zu.
Er trug Anzug und Krawatte und wirkte sehr gepflegt, aber ich hatte den Eindruck, dass er es kaum erwarten konnte, zu Hause in Jeans und T-Shirt zu schlüpfen. Vor ihm stand statt der obligatorischen Tasse Kaffee ein Milchshake, und er hatte außerdem ein Stück Apfelkuchen mit Sahne bestellt. Irgendwie ließen ihn Erdbeershake und Kuchen weniger eindrucksvoll aussehen.
Wir setzten uns an seinen Tisch.
»Tag. Wie geht’s Ihnen? Jim Fischer.« Der Anwalt hielt mir seine Hand hin, und ich schüttelte sie. Nichts Besonderes, nur warm, fest, kräftig. Die Art von Händedruck, die Zuversicht und Sicherheit ausstrahlte.
»Cicely Waters. Mir geht’s gut, danke.«
Schon stand Anadey mit Speisekarten und Kaffee an unserem Tisch. Ich war die Einzige, die ihre Tasse umdrehte, und mir fiel auf, dass sie auch Sahne mitgebracht hatte.
»Nehmt euch ruhig Zeit, in die Karte zu schauen«, sagte sie, »falls ihr nicht schon wisst, was ihr wollt. Cicely, schön, dich wiederzusehen.«
»Du wusstest, wer ich bin?«, fragte ich überrascht. Warum hatte sie denn nicht schon gestern zu erkennen gegeben, dass sie sich noch an mich erinnerte?
»Aber ja. Du sahst jedoch so müde aus, dass ich dich nicht in ein längeres Gespräch verwickeln wollte. Also, was darf ich euch bringen?«
Ich reichte ihr die Karte zurück. »Hühnersuppe und Käsetoast. Ohne alles, und bitte achte darauf, dass kein Fisch in die Nähe meiner Mahlzeit kommt.«
Leo und Rhiannon bestellten Hamburger und Pommes frites, und Anadey gab unsere Bestellung an Peyton weiter, die den Kopf aus der Küche steckte und uns zuwinkte.
»Sie hat’s früher nicht leicht gehabt, das Mädchen«, bemerkte Rhiannon.
»Wieso? Ihre Mutter wirkt doch sehr nett.«
»Und Martas Tochter ist auch nett« sagte Jim. »Aber Peytons Vater war ein Werpuma. Und einige Werwesen – vor allem die wölfischen – akzeptieren keine Magie unter ihresgleichen. Peyton ist als Kind von den Werwölfen grausam gehänselt worden. Der Lupa-Clan hat sich besonders hervorgetan.«
»Und Sie waren Martas Anwalt? Sie kommen mir ziemlich jung vor.« Ich hatte irgendwie einen älteren Herrn erwartet.
»Marta hat mir vor etwa zehn Jahren ihre Angelegenheiten anvertraut, als ich gerade zu praktizieren begonnen hatte. Warum, hat sie mir nie gesagt, aber ich lernte schnell, nicht nachzufragen. Anadey ist Martas ältestes Kind. Sie hatte noch einen Sohn, der vor ein paar Jahren gestorben ist. Seine Witwe hat die Stadt verlassen, aber Martas Enkel, Tyne, ist Mitglied der Dreizehn-Monde-Gesellschaft.«
»Zumindest das wusste ich.«
»Jim hat recht«, sagte Anadey, die den Rest unseres Gesprächs mitgehört hatte, als sie nun mit mehr Kaffee und Cola für Rhiannon und Leo zurückkehrte. »Dummerweise sind Tyne und Mutter nie einer Meinung gewesen. Sie hat ihn von ihrem Familienerbe ausgeschlossen. Er ist dickköpfig und hat sich mit jeder Frau im Zirkel angelegt.«
»Aber er ist dennoch Mitglied der Gesellschaft?«
»Ja, und letztlich hat er
Weitere Kostenlose Bücher