Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
fühlte. Ich hielt nur so lange inne, dass sie mir eines ihrer frisch gebackenen Bio-Blaumais-Muffins in die Hand drücken konnte, ehe ich zu seinem Pick-up lief.
Es gibt keine elegante Ausflucht. Ich bin schuldig im Sinne der Anklage. »Ich war spät dran«, sage ich und werfe ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. »Aber offen gestanden war ich wohl einfach noch nicht so weit.«
Er nickt und umfasst das Lenkrad fester, während er über die von tiefen Fahrrinnen durchzogenen Feldwege rumpelt und ich aus dem Fenster schaue. Mir fällt auf, dass die alten Lehmziegelhäuser in der Umgebung nicht mehr so windschief sind wie früher. Dass die vor den Häusern geparkten Autos ein bisschen weniger rostig wirken und die Hühner, die in den Vorgärten umherstolzieren, ein bisschen weniger ausgezehrt aussehen. All das dank Dace und meinem kleinen Triumph in der Unterwelt, als wir die Knochenhüterin überzeugen konnten, all die armen Seelen freizugeben, die die Richters geraubt hatten.
Trotz unseres Erfolgs macht die Stadt ihrem Namen Enchantment – Verzauberung – noch immer alles andere als Ehre. Aber immerhin ist sie ein bisschen weniger trist, als sie es bei meiner Ankunft hier war, und das erachte ich bereits als Fortschritt.
»Wenn du willst, können wir es ihr gemeinsam sagen.« Dace sieht mich an. »Ich muss zwar nach der Schule arbeiten, aber ich kann auch zu spät kommen, wenn dir das was nützt.«
Ich schüttele den Kopf, von seinem Angebot zu gerührt, um zu sprechen. Dace braucht jeden Penny, den er im Rabbit Hole verdient. Wenn er die Miete für die winzige Wohnung in der Stadt, Benzin und Versicherung für seine zwei ramponierten Autos und die kleine Summe, die er Chepi gibt, bezahlt hat, bleibt nicht mehr viel übrig. Unter keinen Umständen lasse ich zu, dass er wegen etwas, das ich längst allein hätte erledigen sollen, einen Verdienstausfall erleidet.
»Ich mache es«, erwidere ich. »Ehrlich. Noch heute. Nach der Schule. Ehe ich wieder in die Unterwelt gehe, sage ich es ihr. Obwohl ich das ziemlich sichere Gefühl habe, dass sie es längst weiß. Paloma weiß alles. Es ist mehr als der sechste Sinn einer abuela – sie ist unfassbar scharfsinnig. Bestimmt spricht mein Schweigen lauter, als es irgendwelche Worte könnten.«
»Trotzdem, diese Fische …« Er verstummt, während sich sein Blick verdüstert. »Ich glaube, ich sollte Leftfoot darauf ansprechen. Und Chepi. Vielleicht können sie helfen ?«
Als er seine Mutter erwähnt, ist es an mir, grimmig zu werden. Nachdem sie Dace seine gesamte Kindheit über von der mystischeren Seite seines Lebens abgeschirmt hat, komme ich daher und zerre ihn kopfüber in all den Aufruhr und all die unheimlichen Machenschaften, die dieser Ort zu bieten hat. Damit habe ich mich bei ihr nicht gerade beliebt gemacht.
Doch laut Paloma war es unser Schicksal, dass wir uns begegnen, genau wie es unser Schicksal ist, zusammenzuarbeiten, um die Richters in Schach sowie Unter-, Mittel- und Oberwelt im Gleichgewicht zu halten. Und wenn es erst einmal in Gang gekommen ist, lässt sich das Schicksal nicht mehr aufhalten.
Ich will gerade fragen, ob er sich vielleicht noch einmal überlegen könnte, es Chepi zu erzählen, als er bereits auf den Schulparkplatz einbiegt und neben Audens uraltem Kombi mit den Holzpaneelen zum Stehen kommt. Er dreht das Fenster weit genug herunter, um einen kalten Luftstoß hereinzulassen, während wir zusehen, wie Auden Xotichl aus dem Beifahrersitz hilft und sie zu uns herüberführt. Ihren Blindenstock schwenkt sie dabei vor sich her.
»Xotichl behauptet, es schneit bis Weihnachten, aber ich sage, ausgeschlossen.« Auden schiebt sich das zerzauste goldbraune Haar aus den Augen und grinst. »Wir nehmen sogar Wetten an – seid ihr dabei ?«
»Du willst allen Ernstes gegen Xotichl wetten ?«, frage ich ungläubig. Xotichl mag blind sein, doch sie ist die hellsichtigste Person, die mir je begegnet ist – nach Paloma jedenfalls.
Auden zuckt die Achseln, legt Xotichl einen Arm um die Schultern und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich müsste es wahrscheinlich besser wissen – gegen sie zu wetten hat noch nie etwas eingebracht –, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich diesmal irrt. In Enchantment hat es seit Jahren nicht mehr geschneit. Seit meiner Kindheit nicht mehr. Und es deutet nichts darauf hin, dass sich das demnächst ändern sollte.«
»Es fühlt sich auf jeden Fall kalt genug an für Schnee.« Mein Atem
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