Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
Eins
Daire
P f erd trägt uns über eine weite Landschaft, während Rabe hoch oben auf seinem Nacken thront. Mit gemessenen Schritten. Sicher. Das Geräusch seiner Hufe, die beim Auftreffen auf der Erde ein sattes Scharren und Knirschen erzeugen, gibt mir immer das Gefühl, dass wir weiterkommen. Fortschritte machen. Obwohl wir bereits seit Wochen auf der Jagd sind, ohne den Feind zu Gesicht bekommen zu haben.
So nenne ich sie – den Feind. Manchmal bezeichne ich sie auch als Eindringlinge oder gar Invasoren. Und wenn mir nach einem besonders langen Tag auf der Jagd nach schlagkräftigeren Worten zumute ist, nenne ich sie Todfeinde .
Doch ich nenne sie nie bei ihrem richtigen Namen.
Ich nenne sie nie die Richters.
Sie mögen untote Richters sein, aber sie sind dennoch Richters, und Paloma hat mich davor gewarnt, Dace von seiner finsteren Abstammung zu unterrichten. Sie hat behauptet, er brauche nicht zu wissen, dass seine Existenz auf Magie der schwärzesten Sorte zurückgeht. Und obwohl ich mir beim Gedanken daran, dass ich eine so schreckliche Tatsache für mich behalte, bestenfalls unaufrichtig und schlimmstenfalls treulos vorkomme, muss ich trotzdem zugeben, dass meine Großmutter recht hat.
Wenn es ihm jemand sagen sollte, dann Chepi, seine Mutter. Doch sie hat bisher geschwiegen.
Ich lockere den Griff um Daces Taille und sehe mich seufzend um. Vor mir erstreckt sich eine mit glänzendem, hohem Gras bestandene Fläche, dessen Halme sich unter Pferds Huftritten biegen. Ein Wäldchen aus hohen Bäumen liegt dahinter und bietet Vögeln, Affen und ein paar Eichhörnchen auf der Suche nach Nüssen Schutz. Angestrengt spähe ich durch das schwindende Licht des Nachmittags – suchend, stets suchend. Doch wie immer gibt es keinen Hinweis auf irgendeine Störung, keinen Hinweis auf ihre Anwesenheit.
Vielleicht hat die Knochenhüterin sie gefunden ?
Ich klammere mich fest an den Gedanken, er gibt mir ein gutes Gefühl. Ich will ihn nicht loslassen, ganz egal, wie unwahrscheinlich er auch ist. Obwohl ich keinerlei Zweifel daran hege, dass die Königin der Unterwelt mit ihrem Schädelgesicht, ihrem Rock aus Schlangen und ihrer Gewohnheit, Sterne zu verschlingen, sie schnappen, wenn nicht gar auslöschen kann, weiß ich doch ebenso, dass es nicht so einfach werden wird.
Nachdem ich dieses Unheil ausgelöst habe, muss ich es auch wieder in Ordnung bringen.
»Trotzdem kommt es mir sonderbar vor.« Ich presse Dace die Lippen auf den Nacken, sodass meine Worte durch seine dunkle, glänzende Mähne gedämpft werden. »Du weißt schon, der ewige Zyklus von Nacht und Tag. Es erscheint mir zu normal, zu gewöhnlich für einen solch außergewöhnlichen Ort.«
Ich studiere den spätnachmittäglichen Schatten, der uns zu verfolgen scheint. Die unwirkliche, lang gezogene Silhouette eines Raben mit einem spindeldürren Hals und zweier lächerlich großer Menschen, rittlings auf einem Pferd, dessen Beine so lang und dünn sind, dass sie uns allem Anschein nach kaum zu tragen vermögen. Die verzerrte Kontur kündigt den baldigen Anbruch der Nacht an.
Allerdings ist das, was in der Unterwelt als »Nacht« gilt, kaum mehr als ein mattes Dämmern, ganz anders als die tiefdunkle Schwärze des sternenübersäten Nachthimmels von New Mexico, an die ich mich inzwischen gewöhnt habe. Trotzdem freue ich mich über ihr Kommen. Ich bin froh, dass der Tag sich zum Ende neigt.
Ich setze meinen Gedankengang fort. »Ganz zu schweigen davon, dass nirgends eine Sonne zu sehen ist – wie kann das überhaupt sein ? Wie kann sie auf- und untergehen, wenn sie gar nicht existiert ?«
Dace lacht, und es klingt so tief, so heiser und so verführerisch, dass ich mich immer fester an ihn drücke, bis es nicht mehr enger geht. Ich will mich unbedingt an jede Senke und jede Biegung seines Rückens schmiegen, da er mich ebenso intensiv spüren soll wie ich ihn.
»Oh, es gibt durchaus eine Sonne.« Er dreht den Hals, bis er mich anschauen kann. »Leftfoot hat sie gesehen.« Seine eisblauen Augen sehen in meine und reflektieren mein langes, dunkles Haar, meine hellgrünen Augen und den blassen Teint, bis ich mich abwende, da sein Blick mich schwindelig macht.
»Und du glaubst ihm ?« Ich runzele die Stirn, außerstande, den skeptischen Unterton aus meiner Stimme herauszuhalten. Bestimmt ist das nur wieder eine der vielen fantastischen Geschichten, die der alte Medizinmann Dace erzählt hat, als er noch ein Kind war.
»Natürlich.« Dace zuckt
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