Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
wirklich ein echtes Gefangenendilemma zu sein, wenn auch ein etwas kompliziertes. Die Karte Zusammenarbeiten   spielen bedeutet, die weibliche Rolle zu übernehmen, wenn ich damit an der Reihe bin. Der Versuch, statt dessen die Rolle des Männchens zu spielen, entspricht dem Ausspielen der Karte Zusammenarbeit verweigern.   Verweigern ist anfällig gegen Vergeltung: Der Partner kann sich weigern, die Rolle des Weibchens zu übernehmen, wenn „sie“ („er“) das nächste Mal an der Reihe ist, oder „sie“ kann einfach die ganze Beziehung aufkündigen. Fischer beobachtete in der Tat, daß Paare mit ungleicher Verteilung der Geschlechterrollen leichter auseinanderbrachen.
    Soziologen und Psychologen stellen gelegentlich die Frage, warum Menschen (in Ländern wie England, wo sie dafür nicht bezahlt werden) Blut spenden. Ich kann nicht glauben, daß die Antwort in Gegenseitigkeit oder verstecktem Egoismus zu suchen ist, jedenfalls nicht im einfachen Sinne. Regelmäßige Blutspender genießen keineswegs bevorzugte Behandlung, wenn sie selbst einmal eine Transfusion brauchen. Sie erhalten nicht einmal kleine goldene Anstecknadeln. Mag sein, daß ich naiv bin, aber ich fühle mich versucht, Blutspenden als einen echten Fall von reinem, uneigennützigem Altruismus anzusehen. Wie auch immer es sich beim Menschen verhält, das Abgeben von Blut bei Vampiren – einer Fledermausart – scheint gut in das Modell von Axelrod zu passen. Dies zeigen uns die Untersuchungen von G.S.Wilkinson.
    Bekanntlich ernähren sich Vampire nachts von Blut. Es ist nicht leicht für sie, eine Mahlzeit zu bekommen, aber wenn sie erfolgreich sind, ist es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eine große Mahlzeit. Wenn der Morgen kommt, haben einige Individuen kein Glück gehabt und kehren mit völlig leerem Magen zurück, wohingegen jene Tiere, denen es gelungen ist, ein Opfer zu finden, mit aller Wahrscheinlichkeit ein Übermaß an Blut aufgenommen haben. In einer der nächsten Nächte mögen die Rollen vertauscht sein. Daher sieht dies wie ein vielversprechender Fall für ein wenig gegenseitigen Altruismus aus. Wilkinson fand heraus, daß Individuen, die in der Nacht Glück hatten, tatsächlich gelegentlich ihren weniger erfolgreichen Kameraden Blut abgaben, das sie wieder auswürgten. Bei 77 von 110 derartigen Fällen, die Wilkinson beobachtete, handelte es sich um die leicht verständliche Fütterung von Jungtieren durch ihre Mütter, und in vielen anderen Fällen waren die Beteiligten ebenfalls genetische Verwandte. Es blieben jedoch einige Fälle übrig, bei denen Spender und Empfänger nicht verwandt waren, die Erklärung, daß „Blut dicker ist als Wasser“, also nicht mit den Tatsachen übereinstimmte.
    Auffällig oft waren die Individuen Tiere, die an ihrem Schlafplatz häufig aufeinandertrafen – sie hatten reichlich Gelegenheit zur wiederholten Interaktion, wie es für ein Wiederholtes Gefangenendilemma erforderlich ist. Aber wurden die übrigen Bedingungen für ein Gefangenendilemma erfüllt? Wenn ja, sollten wir Resultate entsprechend der Matrix in Abbildung 4 erwarten.
     

    Abgeben von Blut bei Vampiren: mögliche Resultate für mich

    Stimmt die Vampirökonomie wirklich mit dieser Tabelle überein? Wilkinson untersuchte, mit welcher Geschwindigkeit hungernde Vampire Gewicht verlieren. Davon ausgehend berechnete er die Zeit, die es dauern würde, bis ein satt getrunkener Vampir Hungers stirbt, die Zeit, die ein hungriger Vampir ohne Nahrung überlebt, und alle dazwischenliegenden Werte.
    Dadurch wurde es ihm möglich, Blut in die Währung von Stunden verlängerten Lebens umzurechnen. Er fand heraus – was nicht wirklich überraschend ist –, daß die Austauschrate davon abhängt, wie verhungert ein Vampir ist. Eine gegebene Menge Blut verlängert das Leben eines sehr hungrigen Vampirs um mehr Stunden als das eines weniger hungrigen Artgenossen.
    Mit anderen Worten, die Abgabe von Blut erhöht zwar die Wahrscheinlichkeit, daß der Spender stirbt, doch ist diese Erhöhung klein im Vergleich zu dem Anstieg der Überlebenschancen des Empfängers. Ökonomisch gesehen scheint es also plausibel, daß die Vampirökonomie den Regeln eines Gefangenendilemmas entspricht. Das Blut, das die Spenderin (soziale Gruppen bei Vampiren sind Weibchengruppen) abgibt, ist für sie weniger kostbar als für die Empfängerin. In glücklosen Nächten würde sie selbst wirklich erheblich von einer Blutgabe profitieren.
    In erfolgreichen Nächten jedoch

Weitere Kostenlose Bücher