Das egoistische Gen
und doch spielen bakterielle Parasiten mit ihren Wirten wahrscheinlich unaufhörliche „Gefangenendilemma-Spiele“. Es gibt keinen Grund, ihre Strategien nicht mit Axelrodschen Adjektiven – verzeihend, nicht neidisch und so weiter – zu belegen. Axelrod und Hamilton weisen darauf hin, daß bei einer Person, die verletzt ist, normalerweise harmlose oder nützliche Bakterien „gemein“ werden und sogar eine tödliche Sepsis verursachen können. Ein Arzt könnte sagen, die „natürliche Widerstandskraft“ der Person sei durch die Verletzung geschwächt. Aber vielleicht hängt der wirkliche Grund mit einem Gefangenendilemma zusammen.
Haben die Bakterien vielleicht etwas zu gewinnen, halten sich jedoch gewöhnlich zurück? Im Spiel zwischen Mensch und Bakterie ist der „Schatten der Zukunft“ normalerweise lang, da bei einem typischen Menschen damit zu rechnen ist, daß er von jedem beliebigen Startpunkt an noch jahrelang lebt. Ein Schwerverletzter dagegen bietet seinen bakteriellen Gästen möglicherweise einen potentiell viel kürzeren Schatten.
Dementsprechend beginnt der „Anreiz zum Verweigern“ der Zusammenarbeit als attraktiver zu erscheinen als die „Belohnung für beiderseitige Zusammenarbeit“. Es ist überflüssig zu sagen, daß niemand behauptet, die Bakterien würden all dies in ihren häßlichen kleinen Köpfen erfinden! Der Einfluß der Selektion auf Generationen von Bakterien hat ihnen vermutlich eine unbewußte Daumenregel eingebaut, die auf rein biochemische Weise funktioniert.
Nach Ansicht von Axelrod und Hamilton können Pflanzen sogar Vergeltung üben, natürlich wieder unbewußt. Zwischen Feigenbäumen und bestimmten Gallwespen besteht eine enge kooperative Beziehung. Die Feige, die wir essen, ist nicht wirklich eine Frucht. Sie hat ein winziges Loch am Ende, und wenn wir in dieses Loch hineinkriechen (wir müßten zu diesem Zweck so klein sein wie die Gallwespen, und sie sind winzig – zum Glück so winzig, daß wir sie nicht bemerken, wenn wir eine Feige essen), so finden wir Hunderte von winzigen Blüten, die die Wände überziehen. Die Feige ist ein dunkles Gewächshaus für Blüten, eine Bestäubungskammer. Und die Bestäubung kann nur durch Gallwespen erfolgen. Der Baum hat also einen Vorteil davon, daß er die Wespen beherbergt.
Aber was haben die Wespen davon? Sie legen ihre Eier in einige der winzigen Blüten, die dann von den Larven gefressen werden, und bestäuben andere Blüten innerhalb derselben Feige. Die Zusammenarbeit verweigern würde für eine Wespe bedeuten, daß sie ihre Eier in zu viele Blüten in einer Feige legt und zu wenige von ihnen bestäubt. Aber wie könnte ein Feigenbaum „Vergeltung üben“? Glauben wir Axelrod und Hamilton, „so zeigt es sich in vielen Fällen, daß, wenn eine Wespe in eine junge Feige hineinkriecht und nicht ausreichend viele Blüten bestäubt, sondern statt dessen in fast alle Blüten Eier legt, der Baum die sich entwickelnde Feige in einem frühen Stadium absterben läßt. Dann stirbt die gesamte Nachkommenschaft der Wespe.“
Ein seltsames Beispiel von einem offensichtlich nach dem Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ funktionierenden Arrangement in der Natur wurde von Eric Fischer an einem hermaphroditischen Fisch entdeckt, dem Seebarsch. Anders als bei uns Menschen wird das Geschlecht dieser Fische nicht bei der Befruchtung durch ihre Chromosomen bestimmt. Statt dessen ist jedes Individuum in der Lage, sowohl weibliche als auch männliche Funktionen auszuüben. Bei jeder einzelnen Laichepisode stoßen Seebarsche entweder Eier oder Spermien aus.
Sie bilden monogame Paare, und in jedem Paar spielen die Gatten abwechselnd die Rolle des Männchens und des Weibchens. Nun können wir annehmen, daß jeder Fisch, wenn er ungeschoren davonkäme, es „vorziehen“ würde, die ganze Zeit hindurch die männliche Rolle zu spielen, denn diese ist billiger. Anders ausgedrückt, ein Individuum, das seinen Partner dazu bringen könnte, die meiste Zeit die weibliche Rolle zu spielen, würde alle Vorteile „ihrer“ Investitionen in Eier gewinnen, während „er“ Ressourcen übrigbehielte, die er auf andere Dinge verwenden könnte, zum Beispiel auf die Paarung mit anderen Individuen.
Tatsächlich beobachtete Fischer, daß die Barsche sich mit recht strenger Regelmäßigkeit abwechseln. Genau das ist zu erwarten, falls sie „Wie du mir, so ich dir“ spielen. Und es wäre einleuchtend, wenn sie dies täten, denn das Spiel scheint
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