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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Natürlich gingen beide Seiten in Deckung, und unsere Männer begannen aufdie Deutschen zu fluchen, als urplötzlich ein mutigerDeutscher auf seine Brustwehr stieg und ausrief: „Es tut uns sehr leid; wir hoffen, es ist niemand verletzt worden. Es ist nicht unsere Schuld, es ist diese verdammte preußische Artillerie.“
     
    Wie Axelrod kommentiert, geht diese Entschuldigung „weit über eine bloße zweckdienliche Anstrengung, Vergeltung zu vermeiden, hinaus. Sie spiegelt moralisches Bedauern darüber wider, daß eine Vertrauenssituation verletzt worden ist, und sie zeigt Besorgnis, daß jemand verletzt worden sein könnte.“ Gewiß ein bewundernswerter und sehr mutiger Deutscher.
    Axelrod betont außerdem die Bedeutung von Vorhersagbarkeit und Ritual für die Erhaltung eines stabilen Musters gegenseitigen Vertrauens. Ein schönes Beispiel dafür ist die „Abendkanone“, die die britische Artillerie in einem bestimmten Frontabschnitt mit uhrwerkartiger Regelmäßigkeit abfeuerte. Mit den Worten eines deutschen Soldaten:
     
    Um sieben kam er – so pünktlich, daß man seine Uhr danach stellen konnte ... Er hatte immer dasselbe Ziel, seine Schußweite war genau, niemals wich er seitlich ab, ging über das Ziel hinaus oder war nicht weit genug ...Es gab sogar einige neugierige Kerle, die kurz vor sieben... hinauskrochen, um ihn explodieren zu sehen.
     
    Die deutsche Artillerie tat genau das gleiche, wie der folgende Bericht der britischen Seite zeigt:
     
    So regelmäßig waren sie [die Deutschen] in ihrer Wahlder Ziele, dem Zeitpunkt der Schüsse und der Anzahlvon Runden, die gefeuert wurden, daß ... Oberst Jones... auf die Minute genau wußte, wo das nächste Geschoß einschlagen würde. Seine Berechnungen waren sehr,exakt, und er war in der Lage, Risiken einzugehen,die nicht eingeweihten Stabsoffizieren sehr groß erschienen, wußte er doch, daß die Schießerei aufhören würde, bevor er den unter Feuer genommenen Platz erreichte.
     
    Axelrod bemerkt, daß derartige „Rituale nichtssagenden und routinemäßigen Feuerns eine doppelte Botschaft aussandten. Dem Oberkommando vermittelten sie den Eindruck von Aggression, dem Feind aber die Botschaft von Frieden.“
    Das System „Leben und Leben lassen“ hätte am grünen Tisch verbal ausgehandelt werden können, vereinbart von Strategen, die über Bewußtsein verfügten. In der Tat war dies jedoch nicht der Fall. Es entstand aus einer Reihe lokaler Konventionen, dadurch, daß Menschen auf das Verhalten   anderer reagierten; den einzelnen Soldaten war dieser Prozeß wahrscheinlich kaum bewußt. Das braucht uns nicht zu erstaunen. Die Strategien in Axelrods Computer waren definitiv unbewußt. Es war ihr Verhalten, das sie als nett oder gemein, als verzeihend oder nachtragend neidisch oder nicht neidisch definierte. Die Programmierer, die sie entwarfen, können jede dieser Eigenschaften besessen haben, aber das ist irrelevant.
    Eine nette, verzeihende, nicht neidische Strategie könnte leicht von einem sehr unangenehmen Menschen programmiert werden – und umgekehrt. Die Nettigkeit einer Strategie erkennt man an ihrem Verhalten, nicht an ihren Motiven (denn sie hat keine) und auch nicht an der Persönlichkeit ihres Verfassers (der zu dem Zeitpunkt, an dem das Programm im Computer läuft, in den Hintergrund getreten ist). Ein Computerprogramm kann sich strategisch verhalten, ohne sich seiner Strategie oder überhaupt irgendeines Dinges bewußt zu sein. Wir sind natürlich mit der Vorstellung unbewußt agierender Strategen völlig vertraut, oder zumindest solcher Strategen, deren Bewußtsein, falls sie es haben, irrelevant ist. Dieses Buch ist voll von Strategen, denen ein Bewußtsein fehlt. Axelrods Programme sind ein hervorragendes Modell für die Art und Weise, wie wir uns in den vorangegangenen Kapiteln mit Tieren und Pflanzen, ja in der Tat mit Genen befaßt haben. Es liegt daher nahe zu fragen, ob seine optimistischen Schlußfolgerungen – über den Erfolg von nichtneidischer, verzeihender Nettigkeit – auch auf das Reich der Natur zutreffen. Die Antwort ist: Ja, natürlich tun sie das. Notwendige Voraussetzungen dafür sind lediglich, daß die Natur gelegentlich „Gefangenendilemma-Spiele“ ansetzt, daß der Schatten der Zukunft lang ist und daß die Spiele Nichtnullsummenspiele sind. Diese Bedingungen werden mit Sicherheit überall im Reich des Lebendigen erfüllt.
    Niemand würde jemals behaupten, eine Bakterie sei ein bewußt handelnder Stratege,

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